Der Neue Merker
D. Zweipfennig
 
Verdi: Aida, Bayerische Staatsoper, 28. September 2015
Ein szenisches, Sänger irritierendes Trauerspiel…
 
Nicht, dass Sie jetzt meinen es würde sich um eine moderne Regietheater-Katastrophe handeln, nicht im Geringsten. Christof Nels Produktion von 2009 ist bisher immer an mir vorbei gegangen weil ich bei allen geplanten Terminen krank wurde. Nun durfte ich feststellen, nichts, aber auch rein gar nichts versäumt zu haben. Wie weit eine evtl. vorhanden gewesene Personenführung noch nachwirken konnte, kann man nach so langer Zeit kaum mehr nachvollziehen, aber gewisse Gänge sind ja doch vorgegeben.

Im wahnsinnig billig aussehenden Pappschachtel-Ambiente auf der sich mehr oder weniger sinnvoll drehenden Bühne von Jens Kilian spielt sich Trauriges ab. Am traurigsten die sogenannte Triumphszene, nach dem es vorher schon außer altmodischen Händeringens kaum Sehenswertes gegeben hatte. Zwischen dem durch die Statisterie angerichteten Durcheinander „latscht“ Radames sichtlich gelangweilt herum. Irgendwann tut der König kund, dass man den „strahlenden“ Sieger beschenken wolle. Also sorry, diese ganze Murkserei verströmt stark den Charakter von Laientheater. Wenn nun jemand die armen Sänger angreift, wegen ihres vorgegebenen jämmerlichen Spiels, so ist das richtig unfair, tun sie doch nur, was von diesem faden Machwerk an Regie übrig geblieben ist. Wenn sogar ein Jonas Kaufmann, der normalerweise noch aus der unsinnigst erscheinenden Regie etwas zu machen weiß, hier als ziemlich depperter Feldherr erscheint, dann liegt wahrlich vieles im Argen (bedauerlich für sein Rollendebut). Erst im Finalbild, wenn Aida und Radames alleine auf der Bühnenplattform sind, umringt von der schattenhaft wahrnehmbaren Priesterschaft im dunklen Hintergrund, darf man für kurze Zeit alles drumrum vergessen. Die vor den nun auch sie verfolgenden Priestern geflohene Amneris sitzt währenddessen im vorderen linken Bühneneck, wo sie von den Rangplätzen links nicht gesehen werden kann.

Dass trotzdem viele Leute zufrieden waren, kann dann nur an der Sängerschaft gelegen haben, denn auch Dirigent Dan Ettinger am Pult des sehr gut spielenden Staatsorchesters (gut auch die Fanfaren im Triumphakt und fabelhaft die Chöre) lieferte hier eine ziemlich unausgereifte Leistung. Oft zu zerdehnt (mehrere Sänger starteten ab und an Beschleunigungsversuche), dann wieder ‘ne Vollbremsung oder „Löcher“. Ettinger hat sich bei früheren Einsätzen an der Staatsoper schon deutlich besser präsentiert. Hier mussten sich die Sänger nun außer mit dem szenischen Firlefanz auch noch mit einem unsicheren Dirigenten herumschlagen, was sich natürlich auch auf manche Choreinsätze auswirkte.

Die Sänger: Jonas Kaufmann musste sich also bei seinem Bühnen-Rollendebut mit all den erwähnten Unbilden arrangieren, war aber dennoch bestens bei Stimme. Das mit pp und morendo bezeichnete hohe B singt vermutlich kaum ein anderer Tenor so risikofreudig; Schwell- und Abschwelltöne sind ohnehin seine große Kunst. Sein enormes, dramatisches Potenzial regt inzwischen immer mehr zu Vergleichen mit Mario del Monaco an, es gelang ihm sogar, den Triumphszenen-Lärm zu durchdringen. Richtig schön mit Gefühl (auch gestisch), wie man ihn kennt, dann das Finale. – Auch für Krassimira Stoyanova ist die Aida eine neu in ihr Repertoire aufgenommene Rolle. Sie geht die Partie ungewöhnlich lyrisch an und setzt die Spitzentöne oftmals sehr vorsichtig. Sie, die eine Meisterin im Nahebringen rührender Gestalten ist, begnügte sich (oder musste sich begnügen) hier vorrangig mit Armeringen. – Anna Smirnova hat viel Power für die Amneris zu bieten, jedoch ist ihre Stimme kein edler Rasse-Mezzo wie ihn ihre derzeitigen Kolleginnen Anita Rachvelishvili, Agunda Kulaeva oder auch Ekaterina Semenchuk haben (von früheren wie Toczyska, Miltscheva u. a. ganz abgesehen). – Eine richtig aufregende Erscheinung ist der Ramphis vom körperlich wie stimmlich riesigen Ain Anger; zwar manchmal etwas grob im Ansatz, aber was für eine schwarze Röhre! – Franco Vasallo dröhnte seinen Amonasro im oberen Bereich ganz eindrucksvoll, im unteren versandete er eher. – Marco Spotti sang einen guten König, Dean Power bereitete einmal mehr Freude als Bote und Anna Rajah (vom Opernstudio) bezauberte durch ihren warm und lieblich timbrierten Sopran als Priesterin.

Die vorherige Aida-Produktion war zwar auch kein großer Wurf, aber mit entsprechender Action doch weitaus spannender als dieses „Laientheater“ ……



 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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