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concerti, 2. März 2015 |
Von Peter Krause |
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Verdi: Aida, Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom, 27. Februar 2015
Seelenton und Testosteron
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Antonio Pappano spielt Verdis Ägyptenoper in Starbesetzung auf CD
ein und macht in einer Konzertgala schon neugierig auf das im Herbst
erscheinende Ergebnis |
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Einen solchen durch Blitzlicht und Sicherheitspersonal in Szene gesetzten
Promi-Auflauf kennt Italiens Hochkultur sonst nur am Opernhaus Nr. 1 des
Landes – immer dann, wenn die Mailänder Scala am 7. Dezember
traditionstrunken und natürlich von linken Protesten begleitet ihre
Saisoneröffnung begeht. Wir aber befinden uns an diesem frühfrühlingshaften
Freitag in der Hauptstadt der Republik, im von Renzo Piano erdachten
Konzerthausjuwel des Auditorium, das mit seinen uterusweichen Holzrundungen
sogleich für Wohlfühlwonne und demokratischen Kunstgenuss sorgt.
Hier
ist Italiens orchestrales Aushängeschild zu Hause, das Orchestra dell‘
Accademia Nazionale di Santa Cecilia. Sir Antonio Pappano steht dem einzigen
international strahlenden Sinfonieorchester des Opernlandes nun schon seit
2005 vor und hat es gehörig aufgemöbelt. So konnte man unter seinen
leidenschaftlich modellierenden Händen in den letzten Jahren eindrücklich
vernehmen, wie ein Gustav Mahler, der das Orchester in seiner Gründungsphase
noch selbst geleitet hatte, im Lichte des Südens klingen kann: Selten spürte
man die Neurosen des sich bekenntnishaft häutenden Tondichters so
unverblümt, gleichsam schamlos. Regelmäßige Europa-Tourneen und eine aktive
Aufnahmetätigkeit tragen den Ruhm der Römer nach Draußen.
Ein
Ausnahmeereignis: Das beste Sinfonieorchester des Opernlandes Italien nimmt
Verdis Aida neu auf
Jetzt freilich wilderte die römische
Spitzenkapelle jenseits des Sinfonischen. Pappano spielte Guiseppe Verdis
Aida ein und brachte die Ägyptenoper im Nachgang der siebentägigen
Aufnahmesitzungen von Warner Classics nun als Konzertgala heraus. Dabei
erweist sich nicht nur die Sängerbesetzung erwartungsgemäß als Sensation.
Schon die Tatsache, dass einer der zentralen Titel des Opern-Kanons noch
einmal als kostenraubende Studio-Produktion (und zudem vor dem Hintergrund
ungewisser Verkaufszahlen in einem gesättigten Markt) entstehen darf,
gleicht einem Ausnahmeereignis, das den Blätterwald rauschen lässt. Denn
just nach Pappanos CD-Veröffentlichung von Tristan und Isolde, mit Plácido
Domingo und Nina Stemme in den Titelpartien, hieß es einhellig, dies müsse
doch nun eigentlich die letzte Studioeinspielung einer Oper gewesen sein.
Referenzproduktionen, zumal der Aida, gibt es reichlich, nicht wenige
sind just in Rom entstanden, wo sich einst die Decca mit Italiens
Sopranschlachtross Renata Tebaldi gegen die Mailänder Scala in Stellung
brachte, die ihrerseits mit Maria Callas in den Krieg des florierenden
Schallplattengeschäfts zog. Auf dem internationalen Kampfplatz der Oper gab
es eine klare italienische Vorherrschaft, nur Wien – seinerzeit mit
Megamaestro Karajan – und London spielten da noch eine gewisse Rolle.
Deutsche Debütanden bringen die Römer zum Jubeln: Anja Harteros und
Jonas Kaufmann singen erstmals Aida und Radamès
Heute kann von
italienischer Dominanz in Operndingen leider keine Rede mehr sein. Wovon die
aktuelle Besetzung der Hauptpartien zeugt: Es gibt nun mal weder eine neue
Tebaldi, noch ist die Wiedergeburt eines Mario del Monaco in Sicht. Just
zwei deutsche Debütanten sind es also, die von Roms Opernfans jetzt hymnisch
bejubelt werden: Anja Harteros und Jonas Kaufmann singen erstmals Aida und
Radamès. Als Verdi-Traumpaar hatten die beiden bereits in München und
Salzburg für den absoluten Opern-Ausnahmezustand gesorgt.
Anja
Harteros lässt die Beseeltheit der Piani und Pianissimi Ereignis werden
Kündigt sich der Wechsel ins schwere Heldenfach bei Kaufmann schon seit
Jahren an, der bald gar mit einem Otello seinen vorläufigen Höhepunkt
erreichen soll, hat Anja Harteros ihre Fachgrenzen stets vorsichtig
ausgelotet und nur testweise überschritten. Wenn die Zauber-Arabella und
Innigkeits-Desdemona jetzt also die dramatische Sopranpartie der Aida
stemmt, werden schnell Zweifel laut. Überspannt die Harteros damit ihren
lyrisch strömenden, silberblühenden Seelensopran? Büßt sie mit dem Ausbau
von mittlerer und tiefer Lage womöglich ihre leicht ansprechende Höhe ein?
Nicht zuletzt dank des überragenden Sängerdirigenten Antonio Pappano, der
einfach jede Phrase hingebungsvoll mitzuatmen scheint, ist von solchen
Gefahren kaum etwas zu spüren. Vielmehr kreieren Harteros und Pappano eine
neue, ganz andere Aida, als wir sie durch die Aufführungstradition zu kennen
meinen.
Weniger die Heroine, weniger auch die Tragödin Aida lernen
wir hier kennen, sondern die in einer jungmädchenhaften Zartheit und ganz
eigenen Erregtheit verliebte Frau. Es ist die Beseeltheit der Piani und
Pianissimi, die Sängerin und Dirigent zum Ereignis werden lassen, es sind
die flutenden hohen Töne des Jubelns, als sie erfährt, dass ihr Geliebter
die Schlacht doch überlebt hat, die hier ohne Umschweife zu Herzen gehen.
Bruchlos bis in die Tiefe führt die Harteros ihren herrlichen Sopran, den
sie nie eindunkeln oder mit Brusttönen versteifen muss, um ihrer Figur
dramatisches Format zu verleihen.
Weltklassefamos: Der Chor der
Accademia Nazionale di Santa Cecilia
Durch Harteros und Pappano also
erfahren wir nicht zuletzt, wie viele leise Stellen Verdi da in seine nur
selten triumphmarschtosende Partitur geschrieben hat. Das macht Pappano
schon mit dem hauchfein streicherentrückten Preludio der Oper deutlich. Und
das unterstreicht der weltklassefamose Chor der Accademia Nazionale di Santa
Cecilia, wenn er im Finale des 1. Akts die Anrufung des ägyptischen Gottes
Fthà mit einem gänsehautevozierenden, himmlisch homogenen Pianissimo krönt:
„Noi t’invochiamo“. Der einst von Norbert Balatsch, der Bayreuther
Chorleiterlegende, erzogene Chor, wird heute von dessen einstigem
Assistenten Ciro Visco auf seltenem Spitzenniveau gehalten. Besser geht’s
nicht.
Und Tenorkönig Kaufmann?
Auch Jonas Kaufmann, der
sichtlich Respekt vor Radamès und jenseits der sängerischen Bewältigung noch
so gar kein tieferes Verhältnis zur Rolle entwickelt hat, fasziniert
sogleich mit einem riskanten und glänzend gelingenden Diminuendo auf dem
gefürchteten hohen B seiner Auftrittsarie „Celeste Aida“. Ein Meer an
Blumensträußen aus weiblichen Händen freilich erhält der charmante Münchner
am Ende wegen seiner testosteronviril trompeteten Tenortöne im Forte und
Fortissimo. Die kommen und sitzen alle. Die imponieren. Kaufmanns Piani aber
besitzen beileibe nicht die emotional überströmende Glaubwürdigkeit, mit
denen Anja Harteros eben wirklich zu berühren weiß. Harmoniert der
kultivierte Baritono nobile des Ludovic Tézier als Äthiopienkönig Amonasro
wunderbar mit seiner Operntochter, hinterlässt Ekaterina Semenchuk als
Amneris einen zwiespältigen Eindruck: Ihr vehementes Mezzo-Hexen-Orgeln
macht zwar viel Effekt, zu selten fokussiert diese enorme Stimmbesitzerin
ihre üppigen vokalen Mitteln aber zu echten Zwischentönen des Affekts.
Wo stehen wir heute in der Kunst des Verdi-Singens? Pappanos
Studio-Einspielung, die im Herbst veröffentlicht wird und auf die wir sehr
gespannt sind, dürfte über die Live-Momente des Konzerts hinaus viel
Aufschluss geben. Klar machte die Gala bereits deutlich: Pappano bekennt
sich mit Anja Harteros und seinem hervorragenden Orchester klar zur
Zeitenwende der Aida-Interpretation, wie sie in den 70er Jahren des 20.
Jahrhunderts einsetzte: Mit Montserrat Caballé und Mirella Freni mutierten
unter Riccardo Muti und Herbert von Karajan erstmals zwei lyrische
Sopranistinnen zu Aida und begannen so, ihr ganz neue Facetten abzugewinnen.
Just am 80. Geburtstag der großen Mirella Freni trat jetzt Anja Harteros in
die Fußstapfen ihrer italienischen Kollegin. Ein sehr schönes Geschenk
eigentlich. |
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