|
|
|
|
|
Merkur, 02.03.2015 |
Markus Thiel |
|
Verdi: Aida, Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom, 27. Februar 2015
"Aida": Thriller am Tiber
|
Rom - Anja Harteros und Jonas Kaufmann geben in Giuseppe Verdis „Aida“ ihre spektakulären Rollendebüts. |
|
Gülden blitzen die Riesenpailletten an der Diva, während er, Brust raus,
Kreuz durchgedrückt, im Maß-Frack Lieb’ und Krieg erleidet. Konzertante
Aufführungen, gerade bei der elefantensatten, wahlweise regiekrampfigen
„Aida“, können ja ein Segen sein. Als kleinen Inszenierungsersatz verteilen
dafür am Eingang zum Parco della Musica Damen in Toga und mit
Kleopatra-Perücke Programmhefte. Doch wer braucht überhaupt Regie, wo sich
Rom anschickt zur Blockbuster-Besetzung?
Anja Harteros und Jonas
Kaufmann, Münchens so ungleiches Operntraumpaar, mit Rollendebüts in Verdis
Theben-Krimi, dazu Antonio Pappano am Pult seiner Accademia di Santa
Cecilia, da richten sich Augen, vor allem Ohren auf die Ewige Stadt. Gut
eine Woche waren die Stars dort zusammengekommen. Proben, Aufnahmesitzungen,
eine CD-Produktion und als krönendes Finale die konzertante Aufführung im
ausverkauften 2700-Plätze-Saal. Viel Sicherheitspersonal, Ministerpräsident
Matteo Renzi hatte sich angesagt, eine Menschentraube in der Pause um
Cecilia Bartoli – die braucht keine Beschützer.
Anders als die
früheren Verdi-Hits hat die „Aida“ ja seit langem ein Problem: Sie kann
eigentlich nicht besetzt werden. Oder doch? Jonas Kaufmann als Radames ist
den großen Vorgängern del Monaco, Corelli oder Vickers dicht auf den Fersen.
Muskelspiele mit seinen so verschwenderischen Prachttönen gibt’s vor allem
nach der Pause, davor viel Feinarbeit. Auf Mezzavoce riskiert er das
„Celeste Aida“, mit altertümlich glissandierenden Intervallen und
gelegentlichen Schluchzern und einem hohen B, das bis ins Pianissimo gedimmt
wird. Keine Ermüdung bis ins Finale, dafür viel gut zurechtgelegte Dramatik.
Das wird, kein Zweifel, Kaufmanns neue Vorzeigepartie.
Wie immer
nähert sich Dauerpartnerin Anja Harteros von der Gegenseite. Eine Lyrische,
die ihre erste Aida mit reinstem Seelentonklang grundiert. Für die Attacken
kann sie dennoch viele erstaunlich große Töne auspacken. Die erste Arie, so
erfüllt, so technisch sicher, ist nahe der Perfektion. Bestechend ist aber,
wie Anja Harteros mit dem Text umgeht, wie sie die Partie bis in jede Silbe,
jede Phrasenwendung, jede Widersprüchlichkeit und Liebeshingabe durchdacht
hat und dies zu Nuance, Farbe und Agogik werden lässt.
Was man auch
hört: Die Rolle ist ein Power-Marathon, und die lange Woche zuvor hatte es
in sich. Manche Töne verspannen sich, am Ende auch mancher im Saal mit
überflüssigen Buhs. Wie bei Mirella Freni, deren 80. Geburtstag just an
diesem Tag gefeiert wird, könnte die Aida bei Anja Harteros ein schönes,
jedoch vorübergehendes Experiment bleiben.
Naturgemäß mit Abstand
folgen da die Kollegen. Am nächsten dran bleibt der auch in München gern
gebuchte Ludovic Tézier als Amonasro, gefolgt von Ekaterina Sementschuk,
eine Amneris aus guter alter russischer Dramatikschule, und Marco Spotti als
König. Erwin Schrott stellt als Ramphis seinen grobkörnigen Bassbariton aus
und eiert durch die Intonation.
Zum Ereignis wird der Abend durch den
Dirigenten. Antonio Pappano begreift die „Aida“ nicht als gravitätisches
Alterswerk, sondern als Verdis späten Frühling. Enormen Zug hat das.
Verblüffend und aufregend die stufenlose Flexibilität der Tempi. Kein
einziger Takt künstelt. Alles ist unerhört dicht, nie routiniert dramatisch.
Die Schönheiten der Partitur werden hörbar, aber nicht zum Selbstzweck, das
Krasse, Kriegerische serviert die Accademia mit ihrem charakteristischen
Bronzeglühen. Man bestaunt die Präzision, auch wenn die
Triumphmarsch-Trompeten von oben (mit überraschend warmem Ton) spielen oder
die in schmucke Uniformen gewandete Banda der Staatspolizei, die Pappano
hinten unter der Decke platziert hat. Dazu singt der Accademia-Chor so
prägnant, so durchsichtig, als handle es sich um ein Oratorium. Vereinzelte
Standing Ovations schon in der Pause, danach riss es alle von den Sitzen,
die Solisten lagen sich auf der Bühne in den Armen. Im Oktober erscheint die
CD. Wenn sich da mal nicht die Referenzaufnahme anbahnt. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|