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Abendzeitung/dpa, 19.02.2014
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Massenet: Werther, Metropolitan Opera, 18. Februar 2014 |
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Jonas Kaufmann in New York gefeiert
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Der Münchner Startenor singt sich bei der Premiere von Massenets
"Werther" an der New Yorker Met in die Herzen der Zuschauer
NEW YORK Kurz vor dem Ende steht der Werther ganz allein in seinem
engen Zimmer. Langsam fährt es vom hintersten Bühnenende heran, die
Einrichtung mit Kommode links und Bett rechts erinnert an Spitzwegs Bild vom
armen Poeten. Immer weiter schiebt sich der Raum durch das Bühnenbild der
New Yorker Metropolitan Opera, mitten durch das Haus seiner unerwiderten
Liebe Charlotte. Schließlich kommt der kleine Raum zum Stehen, doch er hängt
hilflos herum in Charlottes Welt. Ausbrechen kann der Werther nicht, die
beiden können nicht zusammenkommen – und ihm bleibt nur noch der Selbstmord.
Obwohl Richard Eyres (70) Produktion von Jules Massenets Oper nur wenige
solch origineller Inszenierungsideen enthielt, bekam sie am Dienstagabend
zur Premiere viel Applaus. Der meiste davon galt einem Deutschen in der
Titelrolle. Der Münchner Startenor Jonas Kaufmann ist seit Jahren ein Star
an der Met, noch vor dem ersten Ton jubeln die New Yorker, als er nur die
Bühne betritt. Seit Jahren ist er hier etabliert, spätestens seit den
Titelrollen in Wagners „Parsifal“ und Gounods „Faust“ oder dem Siegmund in
Wagners „Die Walküre“ liegen ihm die Zuschauer zu Füßen.
Überall im
Osten der USA wollen ihn die Menschen sehen, bereits zwei Tage nach der
„Werther“-Premiere ist ein Recital in der Carnegie Hall mit Stücken von
Schumann und Liszt angesetzt. Dann geht es zur zweiten von acht Aufführungen
des „Werther“ – die letzte davon wird am 15. März auch in deutsche Kinos
übertragen – wieder an die Met. Schließlich folgt noch ein weiterer
Konzerttermin in Chicago.
Kein Regietheater
Obwohl es zunächst
ungewöhnlich erscheint, den 44-Jährigen als jungen Werther zu besetzen, hat
Kaufmann die Rolle schon mehrfach in Paris und Wien gegeben. In New York
darf er vor allem in der zweiten Hälfte den Titelhelden etwas
differenzierter spielen und im Gesang mehr Nuancen zeigen. Nachdem die
ursprünglich vorgesehene Elina Garanca wegen ihrer Schwangerschaft absagte,
spielt nun wie bei den beiden Europa-Terminen die französische
Mezzo-Sopranistin Sophie Koch an Kaufmanns Seite.
Sie überzeugte als
Lotte das US-Publikum mit vielen schauspielerischen und gesanglichen
Facetten genauso wie Lisette Oropesa als Sophie. Darüber hinaus zeigt sich
Eyre in der Adaption des berühmten Goethestoffs wenig inspiriert: In
Erdfarben gehaltene Kostüme, alte Bibliotheken und nicht erwiderte
Liebesbriefe verorten das Stück im 18. Jahrhundert, also direkt zum
Zeitpunkt der Veröffentlichung von Goethes Roman.
Inszenatorische
Brücken zur Jetztzeit schlägt der Regisseur nicht – er wolle die Intimität
des Werks betonen, hatte Eyre zuvor laut „New York Times“ gesagt. Den an
allerlei Spielereien gewöhnten europäischen Opernzuschauer mag das
erstaunen, doch es ist nicht das erste Mal, dass es das Met-Team unterlassen
hat, die psychologischen, religiösen und sozialen Konflikte der
Werther-Figuren zu modernisieren. Schon zur Inszenierung 1986 schrieb die
„New York Times“: „Der einzig mögliche Weg, sich dem "Werther" zu nähern,
ist, so zu tun, als ob das 20. Jahrhundert nie stattgefunden hat.“
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