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Abendzeitung, 16.11.2014 |
Robert Braunmüller |
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Puccini: Manon Lescaut, Bayerische Staatsoper, München, 15. November 2014 |
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So ist "Manon Lescaut" im Münchner Nationaltheater
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Die Premiere von Puccinis "Manon Lescaut" mit Jonas Kaufmann und Kristine Opolais im Nationaltheater. |
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Was hatte die Netrebko nur? Hans Neuenfels’ Inszenierung erzählt die
Geschichte einer tödlichen Leidenschaft in klaren, sachlichen Bildern. Den
Sängern wird nichts auch nur annähernd Problematisches zugemutet. Und dass
der Regisseur bisweilen seltsam drauf ist, weiß in der Branche auch jeder.
Und: Wirklich vermisst hat die wegen unvereinbarer Auffassungen abgereiste
Russin in der Premiere von Puccinis „Manon Lescaut“ im Nationaltheater auch
niemand.
Kristine Opolais wirft sich rückhaltlos in diese Rolle einer
zwischen Liebe und Luxus schwankenden Frau. Gesang und Darstellung sind bei
dieser Sängerin kaum zu trennen. Man nimmt ihr das schüchterne Mädchen im
ersten Akt ebenso ab wie die blonde Schlampe. Das Sterben Manons im letzten
Akt ist eine Feier des tragischen Schmerzes, gestaltet sie mit inniger Glut.
Die lange vermisste große Opern-Emotion, hier wird sie Ereignis. Das
wäre unmöglich ohne den perfekten Partner: Jonas Kaufmann. Er nimmt sich am
Anfang bei „Donna non vidi mai“ noch zurück. Ab dem zweiten Akt schöpft der
Münchner aus dem Vollen seines baritonal-bronzenen Tenors. Sein Singen ist
passioniert und ekstatisch, aber er verzichtet auf die theatralischen
Affekt-Gesten und Schluchzer italienischer Sänger.
Die Verfallenheit
dieses Des Grieux an Manon wirkt natürlich und deshalb umso bestürzender. Es
ist unvergesslich, wie Jonas Kaufmann am Ende die Hand seiner toten
Geliebten ergreift und nicht will, dass sie gestorben ist. Ein Bild
existenzieller Verlassenheit: Zwei Menschen auf einer leeren Bühne - mehr
braucht es nicht.
Auch für den Dirigenten, das Problem vieler
Puccini-Aufführungen, hat die Staatsoper eine Lösung: Der junge Franzose
Alain Altinoglu dreht das Bayerische Staatsorchester an einzelnen Stellen
zwar mächtig auf. Aber er brutalisiert und sentimentalisiert Puccini nicht.
Sein Zugriff ist eher analytisch, was den funkelnden Farben bekommt. Sie
wirkten wie unter ein Vergrößerungsglas gelegt. Ein erstaunliches
Haus-Debüt, fern jeder bequemen Routine.
Wenn die Gefühle musikalisch
hochkochen, schadet es nicht, wenn einer einen kühlen Kopf behält. Die
Entscheidung, ausgerechnet Hans Neuenfels mit der Regie zu betrauen, ist
nachvollziehbar. Er hat sich sein Leben lang mit Kleist beschäftigt, dem
deutschen Spezialisten für selbstzerstörerische Leidenschaften.
Nur:
Wie stellt man die auf eine Bühne? Neuenfels entschied sich, wie schon
öfter, für kommentierende Zwischentitel. Es wirkt zwingend, wenn nach
einigen Vorgeplänkel die Bühne dunkel wird und ein Text behauptet, für
Puccini habe die Oper erst mit Ankunft der Kutsche begonnen. Dazu beruhigt
sich die Musik, und auf der leeren Bühne treffen Manon und Des Grieux zum
ersten Mal aufeinander: eine faszinierende Konzentration auf das
Wesentliche. Mit den komödiantischen Elementen der Musik verschwinden auch
die Zwischentexte. Vor dem vierten Akt erfährt der Zuschauer, warum das
Liebespaar aus New Orleans geflüchtet ist - eine für die Geschichte
nützliche Information. Ein paar Manierismen wie der Tanzmeister im
Affenkostüm und der starkhüftige Chor gehören bei diesem Regisseur zum Stil.
Das stört nicht, weil die Geschichte ansonsten ohne Schnörkel erzählt wird.
Die Stars auf der Bühne umgibt ein erstklassiges Ensemble mit Sängern
wie Dean Power (Edmondo) und Roland Bracht (Geronte). Markus Eiche (Lescaut)
singt wie ein Italiener und verwandelt den Lescaut in die dritte Hauptrolle.
Das Bühnenbild von Stefan Mayer ist ein kahler Kasten. Aber schon die letzte
und vorletzte Münchner Inszenierung der Oper spielte in einem ähnlichen Raum
- das sei allen gesagt, die Romantik und Rokoko vermissen.
Am Ende
schrie jemand „Evviva Puccini“, was vermutlich regiekritisch gemeint war.
Als Hans Neuenfels erschien, hatten die Anhänger des Regietheaters den
entschieden längeren Atem. Und das ist in diesem Fall auch gut so.
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