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Der Neue Merker, 7. April 2013 |
Peter Dusek |
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Schubert: Winterreise, Wien, Konzerthaus, 6. April 2013 |
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WIEN/ Konzerthaus: Schuberts WINTERREISE mit Jonas Kaufmann
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Zittern bis zuletzt – Jonas Kaufmann hatte von 3 Parsifal-Vorstellungen 2 an
der Staatsoper abgesagt. Nun funktioniere die Stimme wieder, aber der
Kreislauf revoltiere noch – so erklärte der Startenor eine viertelstündige
Verspätung, mit der er seinen Schubert-Liederabend im restlos ausverkauften
Großen Konzerthaus-Saal am Samstag-Abend begann. Doch ganz rasch wurde klar:
gemeinsam mit dem kongenialen Partner am Klavier – Helmut Deutsch – setzte
Jonas Kaufmann neue Maßstäbe. Ich kann mich an keine Interpretation der
Winterreise erinnern, die ebenso intensiv die 24 Texte von Wilhelm Müller
als Wechselbad der Gefühle erleben lässt. Da wird gewandert und gehofft, da
wechseln Frühlingsträume mit seelischen Winterstürmen – und Franz Schubert
wird plötzlich zum Vorkämpfer für Richard Wagner: die kämpferische
Verzweiflung von Siegmund lässt grüßen.
Jonas Kaufmann gestaltet mit
seinem Pianisten Helmut Deutsch 24 Miniaturen, die wie die Stunden eines
ganzen Tages ohne Halt und Pause abrollen. Und der Leiermann läutet dann die
Mitternacht ein. Höhepunkte sind einmal mehr der Auftakt (Fremd bin ich
eingezogen), der Lindenbaum, der Frühlingstraum, die Krähe und die Post bzw.
der Leiermann. Aber Jonas Kaufmann macht etwa auch aus dem „Stürmischen
Morgen“ eine ganze Welt der Emotionen, der Nuancen und der Widersprüche.
Rein stimmtechnisch gäbe es den einen oder anderen Registerwechsel zu
kritisieren. Die Piano-Technik ist mitunter zu manieriert , hie und da
nebelartige Tongebung in der Mittellage – das möge Beckmesser festhalten.
Aber der großen Linie tut dies keinen Abstrich. Die Winterreise von Schubert
in der Interpretation von Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch gehört zu den
ganz großen Interpretations-Leistungen der Gegenwart. Das Publikum feierte
die beiden auch mit großem Enthusiasmus. Das Zittern hat sich jedenfalls
gelohnt.
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