|
|
|
|
Nürnberger Nachrichten, 29. Juni 2013
|
Hannes S. Macher |
|
Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013 |
|
Düsterer Industrialisierungs-Albtraum
|
Glanzvolle Eröffnung der Münchner Opernfestspiele mit Verdis "Il trovatore" und Tenor-Star Jonas Kaufmann |
|
Mit Verdis „Troubadour" in Starbesetzung und dem Openair-Projekt „Verdi
versus Wagner" der katalanischen Artistengruppe Fura del Baus mit der Musik
von Moritz Eggert für vier Kapellen begannen ziemlich glanzvoll wie
spektakulär die Münchner Opernfestspiele.
Große Räder drehen sich
unaufhörlich in der gespenstisch wirkenden Maschinenhalle einer
Lokomotivenfabrik und halten die Produktion permanent am Laufen. Da dampft
es in Pierre-Andre Weitz' symbolisch finsterem Bühnenbild ganz gewaltig
zwischen dem Eisengestänge und den Metalltreppen, die zu den
Guckkasten-Schauplätzen von Liebe und Eifersucht, Intrigen und Kerkerszenen
führen.
Mafiosi und Proletarier
In die
Entstehungszeit von Verdis düsterer Oper „Il trovatore", in die 1850er Jahre
der Industrialisierung Italiens, verlegte der Regisseur Olivier Py die
Handlung und lässt die Anhänger des Grafen Luna als grau-schwarz gewandete
Shareholdervalue-Mafiosi einer Schwerindustrie-AG auftreten, während die
Truppen des um die Gunst von Leonora buhlenden Luna-Rivalen Manrico als
allzeit zum Arbeitskampf bereite Proletarier durch die Werkshalle wuseln.
Spannend ist das auf der stets rotierenden Drehbühne inszeniert,
wenngleich manche Szenen mit Furcht erregenden Schwertkämpfern,
verstümmelten Marionetten, wüst aussehenden Popanzen und lasziv sich
räkelnden nackten Zigeunerinnen reichlich überbebildert sind. Doch ebenso
ungemein psychologisch subtil hat der französische Regisseur die
versengende, tödlich endende Liebe zwischen Leonora und dem Troubadour
Manrico inszeniert sowie all die Macho-Auftritte des Grafen Luna, der — ohne
es zu wissen — Manricos Bruder ist.
Hinreißend ließ Dirigent Paolo
Carignani das Verdi-Feuer hier lodern und führte das bestens disponierte
Bayerische Staatsorchester in die feinsten Lyrismen dieser „Trovatore"-
Partitur. Und so großartig die musikalische Seite zur Eröffnung der
diesjährigen Münchner Opernfestspiele ausfiel, so brillant war das
Sängerensemble: Allen voran das Verdi-Traumpaar Anja Harteros als blinde
Leonora mit ihrem ebenso hochdramatischen wie innigen, geradezu zu Herzen
gehenden lyrischen Sopran und Jonas Kaufmann als feuriger Manrico mit
herrlich geschmeidigem Tenor.
Musste Alexey Markov als intriganter
Graf Luna die Baritonhöhen etwas angestrengt absolvieren, so zog Elena
Manistina als geheimnisvoll-rächende Zigeunerin Azucena mit ihrem glutvollen
Mezzosopran das Publikum restlos in den Bann. Und beeindruckend in Gesang
und Darstellung auch der von Sören Eckhoff einstudierte Chor der Bayerischen
Staatsoper. Jubel über Jubel jedenfalls im Münchner Nationaltheater über
diese fulminante Hommage auf Verdis 200. Geburtstag, obwohl der Regisseur
auch ein paar lautstarke Buhs einstecken musste.
|
|
|
|
|
|