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Die Presse, 29.06.2013
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Walter Dobner |
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Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013 |
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Ein Kreuz und viele offene Fragen
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Anja Harteros und Jonas Kaufmann waren die umjubelten Stars beim "Troubadour". Die Inszenierung wurde lautstark abgelehnt. |
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Ist „Il trovatore“ zu einem zentralen Werk dieses Verdi-Jahres geworden? Es
hat den Anschein. Denn nach den Wiener Festwochen und ehe sich im Herbst die
Wiener Volksoper dieses Vierakters annimmt, eröffneten die Münchner
Opernfestspiele damit. In einer Inszenierung von Olivier Py, der deutlich
mehr Ablehnung als Zustimmung für seine mit skurrilen Details überfrachtete
Regie erhielt. Da nutzte es auch nichts, dass einer der Stars dieses
Premierenabends, Jonas Kaufmann, Py persönlich auf die Bühne holte, ihm
quasi vorweg den Rücken stärken wollte. Zu sehr hatte er mit seinen Ideen
schon gespalten.
Als lyrischer Poet wird der über ein Theologie- und
Philosophiestudium zur Kunst gestoßene Py im Münchner Festspielmagazin
bezeichnet, es gehe ihm um eine „in sich geschlossene
Geschichtsphilosophie“, um „eine Gesamtschau auf den europäischen Geist und
sein Werden“, meint der französische Literaturwissenschaftler Timothée
Picard. In Pys Münchner „Troubadour“ ist davon nichts zu bemerken. Vielmehr
dominiert eine Skepsis, ob das Publikum das Sujet überhaupt verstehe.
Entsprechend gefällt sich Py darin, die Schilderungen der Protagonisten
übertrieben zu bebildern. So lässt er als eine Art Leitmotiv immer wieder
Azucenas Mutter als Geist über die Bühne schreiten, bevölkert diese mit
Puppen und unnötigen Kampfszenen, gibt Einblick in eine Geburt. Leonore
bekommt das Gift von einem schwarz gekleideten Statisten, quasi als Bote der
Totenwelt, überreicht, die Choristen treten in Ku-Klux-Klan-Gewändern auf.
Schmuckloses Bühnenbild. Dies alles in einem die Möglichkeiten der
Drehbühne des Münchner Opernhauses gekonnt nutzenden, weit in die Höhe
ragenden, die ganze Breite ausnehmenden, schmucklosen und in fahles Licht
getauchten Bühnenbild: einem die verschiedensten Situationen suggerierenden,
mehrfach gegliederten Bau, dessen Rückseite sich zu einer Waldlandschaft
verwandeln lässt, mit deutlich hervorstechenden Rädern. Offensichtlich eine
Metapher dafür, dass sich weder das Rad der Geschichte noch die Geschicke
zurückdrehen lässt.
Auch das Kreuz spielt eine wesentliche Rolle. Sei
es, dass es Graf Luna wutentbrannt auf seinen Knien zerbricht, Leonore damit
von den Nonnen geschmückt wird oder das Bild des Scheiterhaufens dominiert,
dessen Brand ihm aber sichtlich nichts ausmachen kann. Eine Anspielung, dass
bei allem, was dem Menschen zustößt, die Kraft des Kreuzes unversehrt
bleibt? Py führt diese Ideen jedenfalls nicht weiter aus.
Der
„Troubadour“ sei unter den Opern Verdis einzigartig, sagte George Bernhard
Shaw, er habe „tragische Kraft, ergreifende Melancholie, impulsive Energie
und ein süßes und intensives Pathos, das nie seine Erhabenheit verliert“.
Pys sprunghafte, vom Zwang der Originalität bestimmte Bilderwelt lässt davon
nur wenig zu. Ein Glück, dass sich wenigstens so mancher der Darsteller
davon nicht allzu beeindrucken lässt. Was ihnen die Regie an konziser
Personenführung, an psychologischer Charakterzeichnung vorenthält, machen
sie mit ihrer Bühnenpersönlichkeit ziemlich wett. Voran Anja Harteros als
packende, ihr Schicksal erschütternd zeichnende Leonora: Leider absolviert
sie ihren Part ziemlich ohne Italianità. Über solche verfügt auch der
anfangs nervöse, schließlich zur erwarteten Form auflaufenden und
entsprechend umjubelte Jonas Kaufmann als Manrico kaum.
Mehr
tenorales als baritonales Timbre zeigte der überaus stimmkräftige Alexey
Markov als Luna: Sein Blick galt mehr dem Dirigenten als der von ihm
angeblich vergötterten Leonore. Selbst als er erfuhr, dass er seinen eigenen
Bruder dem Tod überantwortet hat, wirkte er recht unbeteiligt. Kwangchul
Youn gab einen untadeligen Ferrando, die aus Südafrika stammende Golda
Schultz eine überzeugende Talentprobe als Ines, während es Elena Manistinas
mit Zylinder auftretender Azucena nicht nur an Artikulationsklarheit und
Tiefe mangelte. Mehr als einfühlsamer Begleiter denn als animierender
Mitgestalter verstand sich Paolo Carignani am Pult des subtil agierenden
Orchesters und der gut studierten Chöre.
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