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WLZ-FZ, 29.06.2013
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Rainer Wagner |
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Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013 |
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„Troubadour“ mit Starbesetzung
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Bei den Münchner Opernfestspielen ist als erste Festspielpremiere Verdis viel gescholtene und dennoch heiß geliebte Oper „Il Trovatore“ aufgeführt worden – doch die ließ merkwürdig kalt, obschon die im Text beschworenen Flammen immer wieder wunschgerecht loderten. |
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Selten war auf der Bühne so viel Bewegung, und dennoch hat es den Zuschauer
kaum bewegt. In München gab es als erste Festspielpremiere Verdis viel
gescholtene und dennoch heiß geliebte Oper „Il Trovatore“, doch die ließ
merkwürdig kalt, obschon die im Text beschworenen Flammen immer wieder
wunschgerecht loderten. Der Beifall am Ende war allerdings weniger
entflammt.
Dabei hatte doch schon vor rund 100 Jahren Startenor
Enrico Caruso das Erfolgsrezept für diese Schauergeschichte verraten: „Man
nehme die vier besten Sänger der Welt ...“ Vom Dirigenten war nicht die
Rede, und Regisseure waren damals kaum mehr als Spielleiter.
Ob
Staatsopernintendant Nikolaus Bachler gleich die vier besten Sänger der Welt
(welche wären das noch mal gleich?) aufbieten konnte, mag offen bleiben: Mit
Anja Harteros als Leonora und Jonas Kaufmann als Manrico hatte er jedenfalls
die prominentesten deutschen Sänger aufgeboten, die durch die Russen Alexey
Markov (Luna) und Elena Manistina (Azucena) profunde Unterstützung
erhielten.
Und die Sänger - nicht zu vergessen der mächtig orgelnde
Kwangchul Youn als Chefhandlanger Ferrando und Golda Schultz als anrührende
Ines - retteten denn auch den Abend. Dabei wurden sie von dem meist
souveränen Mailänder Paolo Carignani am Pult gut geführt, allerdings kam der
Chor doch zwei-, dreimal ins Wackeln. Und ein bisschen mehr rhythmische
Flexibilität wäre auch wünschenswert gewesen. Aber wenn es darum ging, seine
Stars in den eher seltenen lyrischen Passagen zu stützen, dann war Carignani
zur Stelle.
Anja Harteros bewegte immer dann, wenn sie das Leiden der
Liebenden beschwören durfte, in der Höhe entwickelt sie allerdings verstärkt
eine Maria-Callas-Schärfe. Die deutsche Tenor-Allzweckwaffe Jonas Kaufmann,
die bei Wagner und Verdi gleichermaßen punkten will und kann, gibt einen
höhensicheren Troubadour, dessen Forte zwar etwas einfarbig ist, aber die
Farbe deckt. Seine Tongebung im Mezzobereich ist nach wie vor eigenwillig,
doch wenn er die „sublime amore“ besingt, dann ist die Liebe vielleicht
nicht sublim, aber herzwärmend.
Alexey Markovs Graf Luna klingt
nachgiebiger und generöser, als es sein Charakter erlaubt, dafür darf Elena
Manistina als Zigeunerin Azucena mit der Schnapsflasche in der Hand
ordentlich vom Leder ziehen. Wer die Premierenübertragung live im Rundfunk
erlebte, wurde also gut bedient. Und hatte szenisch wenig verpasst.
Regisseur Py präsentiert die Schauergeschichte als nachtschwarzes
Stück
Der französische Regisseur Olivier Py, der gerne auch
als Schauspieler, Schriftsteller und Dramatiker und Selbstdarsteller
unterwegs ist, präsentiert die Schauergeschichte als nachtschwarzes Stück.
Sein Ausstatter Pierre-André Weitz hat die Bühne des Münchener
Nationaltheaters reichlich vollgestellt. Doch anders als in der letzten
Münchener „Troubadour“-Premiere vor 31 Jahren, als Luca Ronconi das Stück
mit lauter Umbaupausen zerdehnte, ist hier alles im Fluss. Oder besser: in
Drehbewegung. Eine merkwürdige Konstruktion aus Festung und
Lokomotivenfabrik dreht und dreht sich, dass einem schwindlig wird. Immer
neue Einblicke gibt es und doch wenig Erkenntnis. Ins Gebälk ist eine Bühne
auf der Bühne eingebaut (die aber inkonsequent genutzt wird), ein klinisches
Schlafgemach, in dem sich Mutter Azucena schon mal zum Sohnemann Manrico
legt, und einen engen Kerker, in dem sich außer Mutter und Kind auch noch
die Oma drängt.
Die einst auf dem Scheiterhaufen hingerichtete alte
Zigeunerin ist seit dem knappen Vorspiel immer wieder auf der Bühne. Gerne
nackt, manchmal aber auch im schwarzen Gewand. Eine junge Nackte gibt es
auch, sie ist Gespielin der Zigeuner und muss später pantomimisch auch eine
Gebärende sein. Denn Babys verschiedener Ausprägung (mal lebensecht, mal
gargantuesk vergröbert) dürfen nicht fehlen, wenn Py schwarz auf schwarz
diese Geschichte erzählen will, in der es um ein vertauschtes Kind geht.
Wenn man erst einmal akzeptiert hat, dass eine Frau, um ihre Mutter zu
rächen, im Wahn ihr eigenes Kind ins Feuer geworfen hat (weil es doch das
Kind jenes Mannes hätte sein sollen, der ihre Mutter auf den Scheiterhaufen
geschickt hat), für den ist die Geschichte so verworren nicht mehr. Dass sie
allerdings immer wieder in Erzählungen und Rückblenden aufgerollt wird,
macht es für Regisseure nicht leicht. Dennoch hat etwa Hans Neuenfels in
seinem Operndebüt anno 1974 nicht nur einen grandiosen Opernskandal in
Nürnberg provoziert, sondern Bilder gefunden, die man auch nach all den
Jahren nicht vergessen hat. In München muss man schon dankbar sein, dass
Olivier Py - im Gegensatz zu Calixto Bieito vor zehn Jahren in Hannover -
auf spekulative Gewaltorgien verzichtet. Hier bleibt alles im schwarzen
Rahmen. Zwei, drei rote Fahnen und ein bisschen Flammengelodere hellen das
alles nicht auf.
Am Ende war der Beifall für die Musiker groß, am
meisten Jubel bekam Anja Harteros ab. Aber selbst der Protest gegen
Regisseur Py blieb lauwarm. Und die gesamte Glut war rasch erloschen.
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