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BR Klassik, 28.06.2013 |
Von: Annika Täuschel |
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Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013 |
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"Il Trovatore" bei den Münchner Opernfestspielen
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Der französische Regisseur Olivier Py gab am Donnerstag in München sein Debüt mit seiner Sichtweise auf Verdis wohl ohrwurm-trächtigste Oper "Il Trovatore". In den beiden Hauptrollen sangen Jonas Kaufmann und Anja Harteros.
Es sei ganz einfach, den Troubadour auf die Bühne zu bringen, sagte einst
Enrico Caruso. Man benötige dafür nur die vier besten Sänger der Welt. Drei
davon standen gestern Abend im Münchner Nationaltheater auf der Bühne: Elena
Manistina als Azucena, Anja Harteros als Leonore und Jonas Kaufmann als
Manrico. Und, um es gleich vorweg zu sagen: er singt es, das hohe C!
Kraftstrotzend vital, am Ende von "Di quella pira". Und trotzdem wird es
fast zur schönsten Nebensache der Welt, weil der ganze Rest musikalisch
genauso fulminant ist.
Ruhe und Souveränität
Für das Dream-Team Harteros und Kaufmann sind ihre Partien Rollendebüts, sie
singen sie allerdings, als seien sie damit auf die Welt gekommen. Auch wenn
man Anja Harteros in München schon lange zu recht verehrt - es ist immer
wieder unglaublich, mit welcher Ruhe und Souveränität sie ihre wunderbar
warme, weiche und trotzdem so schön dramatische Stimme auf endlosem Atem
durch die Partitur strömen lässt. Ihre Leonora ist eine glaubhafte Frau,
voller Liebe, voller Sehnsucht, voller Erotik; blind in dieser Inszenierung,
aber emotional hellsichtiger als alle anderen. Auch Jonas Kaufmann
brilliert, sängerisch wie darstellerisch gibt er einen zornigen, feurigen,
rachsüchtigen, glutvoll liebenden, vitalen, wo nötig auch beeindruckend
schmerzlich-verletzten Manrico. Wer möchte von so einem nicht gerettet
werden?
Elena Manistina als Azucena
Die
größte Überraschung ist sicherlich die rassige Elena Manistina mit ihrer
satten, kräftigen Mezzo-Stimme als Azucena. Selbst verlebt und dem Alkohol
verfallen lodert in dieser Zigeunerinnen-Seele noch mehr emotionales
Lebensfeuer, als sich ein Graf Luna jemals vorstellen kann. Je mehr diese
Verstoßene dem Tod ins Auge sieht, umso reicher, weicher, mitfühlender wird
ihr Wesen und ihre musikalische Gestaltungskraft.
Dirigent
Paolo Carignani
Sind aller guten Dinge drei? An diesem
Trovatore-Abend bündeln sich die ganzen Affekte im Orchestergraben. Selten
hat das Bayerische Staatsorchester mit so viel italianità gespielt wie unter
dem großartigen Dirigat von Paolo Carignani - einer, der nicht nur die
Sänger auf Händen trägt, sondern auch seine Instrumentalisten singen und
erzählen lässt, mit accelerandi, rubati und Tempowechseln, stilsicher und
farbenreich.
Mit Logik kommt man nicht weit, in Verdis "Troubadour",
deswegen hat sich Regisseur Olivier Py für eine Drehbühne im zeitlichen
Irgendwo entschieden, auf der in schnellen szenischen Wechseln die
Dimensionen verschwimmen: aus Realität wird Traum (oft auch Alptraum), aus
Gegenwart Vergangenheit. Manrico etwa liegt in der Szene mit Azucena
zunächst im Bett und schläft; aus echt wird Traum, aus jetzt wird Kindheit –
alles überlagert sich passend zu Azucenas Erzählung. Sinnbild für diese
packende Szene ist das Kopfkissen, das Kaufmann gedankenverloren mit sich
schleppt.
Kurzweilige, sinnfällige Psychologiestudien
Pantomimische Alter-Egos spiegeln zudem die verdeckten und versteckten
Seiten der Protagonisten; ein hervorragender Regie-Einfall, der die langen
Erzählstrecken im "Troubadour" zu kurzweiligen, sinnfälligen
Psychologiestudien werden lässt. Selten ist szenisch so sinnvoll viel los in
Verdis "Trovatore", selten auch ereilt es einen so eiskalt und brühwarm, man
sitzt fast wie ein Kind im Saal, voll heller Aufregung und Vorfreude auf das
nächste schöne Stück… Ein Abend, dem man sich nicht entziehen kann und von
dem noch lange die Rede sein wird.
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