Der Neue Merker
Dorothea Zweipfennig
 
Wagner: Parsifal, Metropolitan Opera, 2.März 2013
 
Met-PARSIFAL im Kino – Erding 2.3.13
 
 
Die Aufführung:

François Girards Inszenierung ist eine Koproduktion mit den Theatern in Lyon und der Canadian Opera Company Toronto. Jetzt also an der Met: Eine moderne Inszenierung, die voll aufgeht! Michael Levines großes, offenes Bühnenbild gibt den gelungenen Rahmen für das intensive Spiel aller handelnden Personen und Personengruppen. - Die Zusammenarbeit, bzw. Zusammen-Erarbeitung für die Met, war, wie man hört, von einem sich gegenseitig befruchtenden Geben und Nehmen zwischen Regisseur, Dirigent und Sängern geprägt. Der schlichte Bühnenhügel, durchzogen von einem Bachlauf, mal klar mal blutgefärbt, mal versiegend, erweist sich als praktikabler Spielraum für den 1. und 3. Akt. Im diffusen Dämmerlicht auf der linken Bachseite sieht man Frauen (die so eine Männergesellschaft ja zur Sicherung ihrer Nachkommen auch braucht, die jedoch zur Handlung nichts beitragen). Die Männergeschichten spielen sich rechterhand ab. Dazu bewegen sich auf dem riesigen Hintergrund-Horizont großartige Filmprojektionen, von denen man zwar nicht immer nachvollziehen kann (weil selten in Totale zu sehen), was sie gerade exakt bedeuten sollen, die aber sehr effektvoll und dekorativ sind. Die holde Aue im 3. Akt hätte man sich allerdings durchaus etwas freundlicher beleuchtet vorstellen können. – Im 2. Akt bedeckt ein großflächiges (beheiztes!) Blutwasserbecken den Großteil des Bodens; darin tummeln sich die Blumenmädchen, darin steht dann das Lotterbett – alles sehr logisch und nachvollziehbar im Gesamtkonzept.

Ein in allen Teilen überragendes Solistenensemble spielt sowas von eindringlich, dass es jeden tief bewegen muss. Dazu wird auf einem einheitlich sehr hohen Level gesungen, wie man es sich derzeit kaum idealer denken kann. René Pape, der Gurnemanz schlechthin, mit schlichter Gestik und riesiger persönlicher Ausstrahlung, mit einem Bass wie Balsam pur, der in allen Lagen „wie geschmiert“ läuft. - Jonas Kaufmann, das Idealbild eines Nahaufnahmen tauglichen Helden, auch wenn er als Parsifal sowas wie ein Antiheld sein mag. Allein sein Mienenspiel ist stets so ungeheuer beeindruckend und fesselnd. Aber da ist ja auch noch dieser dunkel-goldene Tenor, wie für Wagner geschaffen, dabei mit italienischer Eleganz geführt, vom strahlenden Forte bis ins gehauchte Piano mit umwerfenden Ausdrucksnuancen. – Peter Mattei und sein Amfortas-Debut – was für ein Glücksfall! Die Stimme erscheint riesig gewachsen zu sein und hat einen heldenbaritonalen Kern bei Beibehaltung der stimmlichen Weichheit in den lyrischeren Passagen. Damit ist Mattei nicht nur einer der allerbesten Amfortasse überhaupt, man wünschte sich in dieser Form weitere Heldenbaritonrollen von ihm. Leider war sein Gesicht durch einen (echten) Vollbart so zugewachsen, dass man das stets effektvolle Mienenspiel dieses Sängers nicht erkennen konnte (Fehler der Ausstatter). Er überzeugte aber sehr durch seine hoch intensive Körpersprache, und das ganze große Leiden lag im Ausdruck seiner Stimme. – Evgeny Nikitin, der auf Gergievs Parsifal-CD mit seinem überragenden Amfortas beeindruckt und vielleicht auch überrascht hatte, gab hier den Zauberer und einst vergeblich das Heil suchenden Klingsor, schaurig in der Gestaltung, kernig im powervollen Gesang. – Bleibt noch Kundry, mit der Katarina Dalayman einige überrascht haben dürfte, so auch mich. Sie hatte zwar immer einen warm timbrierten Sopran, jedoch mit stets hörbaren Höheneinschränkungen. Hier strömte die Stimme wunderbar warm und voll bis in die Alttiefen der Partie. Und im 2. Akt, wo die Tessitura immer höher steigt, nahm sie sämtliche Klippen staunenswert trickreich, nie klang ein Ton scharf und alle Spitzentöne waren voll da. Eine Glanzleistung der schwedischen Künstlerin. – Durchweg gut die Blumenmädchen und die Männerchöre, während die Frauenchöre der Met doch meistens viel Tremolo aufweisen.

Ein „hehrstes Wunder“ bereitete (wie beim Münchner Fidelio) Maestro Daniele Gatti am Pult des guten Met-Orchesters. Seine Art, einem Orchester warme Klangfarben zu entlocken, bewundere ich immer wieder. Wenn er manches „langsam“ dirigiert, ist das vollkommen in Ordnung, hält er dabei doch die Spannung voll aufrecht, und wenn ihm die Sänger dabei atemtechnisch folgen können, werden manche Zaubermomente wahr.

Die Met eigene Kameraführung war nicht immer gut. Extreme Nahaufnahmen wirken auf der Riesenleinwand nicht sonderlich gut. Aber schlimmer, durch diese Nahaufnahmen, gingen zu viele Dinge zwischen den einzelnen Personen unter, wie z. B. wenn Amfortas im 1. Akt Blickkontakt zu Parsifal sucht (könnte der der ersehnte Erlöser sein…), dieser jedoch gar nicht ins Bild kommt. Auch dass Parsifal während der Gralszeremonie des ersten Aktes kaum jemals ins Bild kommt, ist sträflich, da man seine Reaktionen auf das Geschehen schließlich sehen sollte, besonders, da Kaufmann ja immer mit-spielt. Auch bei Gurnemanz‘ Empörungsansprache wegen des toten Schwanes sollte man Parsifals Reaktion darauf unbedingt sehen, stattdessen bekam man Gurnemanz in Riesenaufnahme (zum Nasenhaarezählen). Im 2. und 3. Akt stimmte die Bildführung dann besser.

Die Präsentation im Cineplex-Kino in Erding:

Lange war der Großraum München ein Notstandsgebiet bezüglich der Möglichkeiten, ein Kino mit Opernübertragungen zu finden. Es gab bis vor einigen Monaten nur ein einziges Kino in München, das Cinema, welches ständig ausverkauft war, es sei denn, man hatte ein Jahresabo ergattert. Mit der Bequemlichkeit im Cinema soll es ziemlich gehapert haben, erzählte man mir, keine Garderobe, zu wenige Toiletten, schlechte Luft… Nun gibt es endlich in München ein zweites Kino, das renovierte Gloria am Stachus, dort sei aller Komfort geboten, samt Sektempfang inklusive und allen möglichen Bequemlichkeiten drumrum. - Auch in Erding, der einzigen Kreisstadt rund um München, die derzeit auch die Met-Opern-Übertragungen anbietet, ist im dortigen Cineplex aller Komfort geboten (incl. Parkmöglichkeiten direkt vorm Haus). Nur die Tonwiedergabe war mangelhaft.

Ich las von einer nahezu perfekten Tonqualität bei diesen Kino-Opern. Demzufolge muss im Erdinger Cineplex etwas nicht gestimmt haben. Was ist mit Dolby Digital 5.1 oder 7.1 oder Multichannel, oder was es sonst noch so gibt. Nichts dergleichen. Gerade bei Wagners Parsifal hätte man sich einen exzellenten Raumklang gewünscht, so dass man quasi mitten in der ätherischen Klangwolke geschwebt wäre. - Den (scharfen) Ton hörte man nur von vorne, von unter der Leinwand her. Dabei kamen die Sängerstimmen brüllend laut, woran man sich erst gewöhnen musste, während das Orchester bedauerlicherweise als Begleitmusik klanglich stark in den Hintergrund gedrängt wurde. Später versuchte ich es von einem Platz ganz oben, dort wurde sie Penetranz der zu starken Gesangsstimmen zwar verringert, aber der ohnehin schwache Orchesterklang eben auch. Die rund ums Theater platzierten Boxen waren hier nur leere Staffage. - Auf Anfrage in der Pause, erklärte man mir, Dolby Surround ginge hier natürlich (?) nicht. Man habe am Nachmittag 2 Std. Tontests durchgeführt – es ginge nicht besser.

Gemäß den positiven Äußerungen anderer Rezensenten und der Erwartungen an ein solches Event kann man sich weder mit diesen Aussagen noch mit dieser akustischen Präsentation zufrieden geben. – Ich hoffe, Clasart (Event-Management), wird da schnellsten Abhilfe schaffen.









 
 
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