Badener Tagblatt, 15.7.2013
von Georg Rudiger
 
Baden-Baden: Saisonabschluss-Gala, Elina Garanča - Jonas Kaufmann, 12. und 14. Juli 2013
Festspielhaus Baden-Baden geht bei der Abschlussgala neue Wege
 
 
Elina Garanca und Jonas Kaufmann mit umjubeltem Gala-Auftritt im Festspielhaus Baden-Baden
 
Operngalas haben meist wenig dramatische Kraft. Da werden Hits auf Hits gereiht, die hohen Cs angesteuert und die Augen gerollt. Bei der Baden-Baden Gala 2013 beschritt das Festspielhaus einen anderen Weg. Mit Jules Massenets „Werther" nach Goethes Briefroman und Pietro Mascagnis veristischem Einakter „Cavalleria Rusticana" standen zwei nicht so häufig zu hörende Opern im Mittelpunkt. Auch das Schlussduett aus „Carmen" wird viel weniger aufgeführt als etwa die Habanera oder die bekannte Ouvertüre von Bizets Oper. Es sind alles extrem angespannte Konfliktsituationen zwischen Mann und Frau, die im Festspielhaus zu erleben sind. Keine Häppchenkultur, sondern große, zusammenhängende Opernszenen, die auch ohne Szene viel von der Faszination dieser Gattung vermitteln.

Ehemann am Pult lässt dem Paar viel Freiheit
Dass diese Operngala solch ein musiktheatralisches Erlebnis wird, liegt aber auch und vor allem an den Protagonisten. Elina Garanca und Jonas Kaufmann sind nicht nur musikalische Ausdruckskünstler, sondern haben auch eine enorme darstellerische Präsenz, die den Zuhörer sofort in das Geschehen zieht.

Das erste Drama spielt sich zwischen dem leidenschaftlichen Werther und der mit Albert zunächst verlobten, später verheirateten Charlotte ab. Nach einem von der Deutschen Radio-Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern unter der Leitung ihres Chefdirigenten Karel Mark Chichon dahingezauberten Prélude mit feinem Cellosolo treffen Kaufmanns baritonal gestützter Tenor und Garancas farbintensiver, perfekt geführter Mezzo aufeinander. Schon beim ersten Duett „Il faut nous séparer..." aus dem ersten Akt gestalten die Solisten ihre langen, weiten Melodiebögen mit großem Atem und enormem Volumen, ohne dabei zu forcieren. Karel Mark Chichon fährt das Orchester nicht ganz zurück, sondern lässt es durchaus als dramatischen Verstärker zur Geltung kommen. Dennoch setzen sich Jonas Kaufmann und Elina Garanca klanglich durch.

Die Lettin kann dabei wie in der Briefszene des dritten Aktes aus dem Nichts ins Dramatische aufdrehen. Und verzückt mit einer Legatokultur, die so geschmeidig nur ganz selten zu hören ist. Bei Jonas Kaufmann ist mehr Anstrengung zu spüren, wenn die Situation am Ende des dritten Aktes eskaliert und er seinen dunklen Tenor erstmals in die klanglichen Extreme führt. Das ist allerdings kein Mangel an Qualität. Die Wucht seiner Spitzentöne beeindruckt.

Im Schlussduett aus „Carmen" erreicht die Intensität dann einen Höhepunkt. An der Münchner Staatsoper standen die beiden schon einmal gemeinsam als Don José und Carmen auf der Bühne, nachdem sie die Partien schon zuvor an anderen Häusern gesungen hatten. Auch im Falsett bleibt die dunkle Färbung des Tenors erhalten. Nur am Ende, wenn Jonas Kaufmann vom Dämon singt, lässt er seine Stimme für einen einzigen Ton grell und eng werden.

Elina Garancas Carmen widersteht diesem intensiven Drängen mit großem Selbstbewusstsein und gehärteter Stimme. Dass die psychologische Gestaltung der Szene so packend gelingt, liegt auch an Garancas Ehemann Karel Mark Chichon, der die Situation aufheizenden Torero-Klänge vom Orchester geradezu zelebrieren lässt. Man spürt stets die große Opernerfahrung dieses Dirigenten, der die Solisten ganz frei agieren lässt und in den entscheidenden Passagen die Fäden zusammenhält.

Liebesschmachten nach all dem Drama
Bei dem Bacchanal aus Saint-Saens' „Samson et Dalila", der Ouvetüre zu Verdis „Les Vepres Siciliennes" und dem lyrischen Streicherintermezzo aus Mascagnis „Cavalleria Rusticana" zeigt die Deutsche Radio-Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern bei leichten Intonationstrübungen Präzision und einen runden Orchesterklang. Das Intermezzo sorgt nach den hochdrama tischen Arien von Turridu und Santuzza für eine kurze Beruhigung der Situation. ehe im Duett "Tu qui, Santuzza?" das Eifersuchtsdrama nochmals eskaliert. Das letzte Unisono der Solisten ist wie ein gemeinsamer Schrei.

Im Zugabenblock zeigen sich dann Kaufmann und Garanca im Schmachtduett „Non ti scordar ti me" nach den ganzen Beziehungsdramen des Abends als ganz verliebtes Paar. Der dirigierende Ehemann trägt's mit Fassung.














 
 
  www.jkaufmann.info back top