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DrehPunktKultur, 24/12/13 |
Von Oliver Schneider |
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Verdi: La forza del destino, München, 22. Dezember 2013 |
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Die zwei Gesichter der Kirche
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Ein Sängerfest an der Bayerischen Staatsoper mit Anja Harteros, Jonas Kaufmann und Ludovic Tézier. Jubel für die Sänger, einige Buhrufe für den Dirigenten Asher Fisch und gespaltene Reaktionen auf Martin Kušejs Regie.
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Wie oft bei Giuseppe Verdi, bildet auch in „La forza del destino“ der
Konflikt zwischen starren Konventionen sowie Liebe und Menschlichkeit den
Ausgangspunkt der tragischen Geschehnisse. Eine Liebe zwischen dem Mulatten
Don Alvaro und Donna Leonora di Calatrava, die aus sozialen und politischen
Gründen nicht sein darf, ein verhinderter Fluchtversuch, der im Tod des
starrsinnigen Vaters Leonora mündet, die Blutrache durch Leonoras Bruder Don
Carlo und schließlich eine utopische Versöhnung im Tod. Das Ganze ist
garniert mit imposanten Kriegs- und Massenszenen.
Martin Kušej nimmt
Leonoras Ambivalenz gegenüber der Institution Kirche als Ausgangspunkt für
seine Deutung der „forza“ in der späteren Mailänder Fassung. Nachdem ihr
Vater sie kurz vor seinem Tod durch den irrtümlich ausgelösten Schuss
Alvaros verdammt hat, flieht Leonora in Männerkleidern und vertraut sich
Padre Guardiano an. Als dieser ihr rät, sich in ein Kloster zurückzuziehen,
winkt sie erschrocken ab. Sie möchte sich in einer Einsiedelei Gott widmen.
Der Institution Kirche misstraut sie, denn diese erinnert sie nur an die
verkrusteten Traditionen und Bigotterie in ihrem Elternhaus. Kušej zeigt
dies zu Beginn des Abends: Das Kreuz in der Mitte des Tisches, die
schweigend in äußerster Gespanntheit essende Familie Calatrava und um den
Tisch stehende Bodyguards des Marchese di Calatrava. Christliche Zeichen
werden hier als Deckmantel eines auf Konventionen bauenden Machtapparats
missbraucht. Dazu erklingt die Ouvertüre. Durch diese Vorgeschichte
verknüpft Kušej die nur locker verbundenen Bilder stärker miteinander, so
dass Verdis musikalische Querverbindungen ein szenisches Äquivalent
erhalten.
Theatralik herrscht im Hause Calatrava und an der
Klosterpforte im zweiten Akt, die mehr an ein nüchternes
Kirchenverwaltungsgebäude aus den achtziger Jahren erinnert, in dem es um
das Erhalten von Macht geht (Bühne: Martin Zehetgruber). Nachdem Padre
Guardiano Leonoras Wunsch des Rückzugs akzeptiert hat, muss sich die Arme
(bzw. die sie ersetzende Statistin) erst einmal einer Art Ganzkörpertaufe in
einem Swimming-Pool unterziehen. Das ist dann doch des Guten zu viel.
Akzeptabler ist das plakative Schlussbild der Oper, in dem die
unzugänglichen Felsen, zwischen denen sich Leonoras Einsiedelei befindet,
durch aufgehäufte weisse Kreuze ersetzt sind.
Da Kušej die Ereignisse
aus heutiger Sicht betrachtet, erinnern die Massenszenen in von Bomben
zerstörten Häusern an Bilder aus dem Nahen Osten. Hier darf die
Kriegstreiberin Preziosilla das Volk aufstacheln, bis es „Schön ist der
Krieg! Es lebe der Krieg“ singt, oder mit ihrem „Rataplan“ offen zum Sex
auffordern. Nadia Krasteva weiß szenisch als billige Hure in körperbetonter
Kleidung (Kostüme: Heidi Hackl) und gesanglich mit variabler Stimme wie
bereits in Wien vor fünf Jahren zu überzeugen. Wie David Pountney in Wien,
lässt Kušej den Vater Leonoras und Padre Guardiano vom selben Sänger
spielen, was wiederum die Parallelen zwischen Kirche und Elternhaus betont.
Vitalij Kowaljow wirkt als Marchese noch etwas blass, zeigt dann aber im
Verlauf des Abends die nötige Bühnenautorität.
Eine Klasse für sich
bildet das Terzett Harteros/Kaufmann/Tézier. Ganz schlicht und beseelt lässt
Harteros in ihrem Gebet „Madre, pietosa Vergine“ im zweiten Bild des zweiten
Akts alle Farbnuancen aufschimmern. Und wie eindrücklich gestaltet sie in
ihrer „Pace“-Arie im Schlussbild mühelos mit perfekt sitzender Stimme die
hochexpressiven Momente.
Don Alvaro, bei Kušej ein Hippie mit langen
Haaren, ist für Jonas Kaufmann eine weitere Partie, in der er mit seinem
cremigen Timbre, dem wunderbaren Piano und seiner Phrasierungskunst
Rollenvorgänger vergessen macht. Ein Ereignis ist, wenn er sich in seinem
Monolog zu Beginn des dritten Akts zwischen den Trümmern an Leonora
erinnert. Kaufmann gestaltet aber auch die strahlkräftigen Attacken im
vierten Akt vollkommen mühelos und mit ebenso viel Inbrunst. Wer macht ihm
dies heute nach?
Komplettiert wird das Duo durch Ludovic Tézier als
Don Carlo. Im Vorspiel noch das kleine, brave Brüderchen, das im zweiten Akt
zu einem biederen College-Student wird. Als echter Calatrava verfolgt er
aber nur ein Ziel: den Tod des Vaters zu rächen. So zieht er in den Krieg.
Stimmlich ist er in erster Linie dramatisch gefordert und überzeugt mit
seinem brillant geschmeidigen Bariton. Tézier und Kaufmann schaffen es im
dritten Akt, die zwischen ihnen bestehende Spannung auf das Orchester zu
übertragen, das am Premierenabend bis zur ersten Pause unter der Leitung von
Asher Fisch eher routiniert als ambitioniert klang. Danach gelang es Fisch
deutlich besser, Spannungsbögen aufzubauen. Ohne Fehl und Tadel war von
Anfang an die Balance zwischen Bühne und Graben, und das Staatsorchester
spielte auf dem gewohnt hohen Niveau mit schönen solistischen Einsätzen
(Solo-Klarinette im Vorspiel zur Alvaros Szene am Anfang des dritten Akts!).
Neben dem in den Massenszenen leuchtkräftig auftrumpfenden Chor
(Einstudierung: Sören Eckhoff) sei schließlich noch der verschlagen
polternde Frau Melitone von Roberto Girolami erwähnt, der in seiner
Schillers Kapuzinerpredigt nachempfundenen Ansprache an das hungernde Volk
im vierten Akt noch einmal die zwei Gesichter der Kirche zeigt.
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