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Online Musik Magazin
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Von Thomas Molke |
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Verdi: Don Carlo, Bayerische Staatsoper, 25. Juli 2013 |
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Im Zeichen des Kreuzes
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Foto: Wilfried Hösl |
Nachdem
den diesjährigen Münchner Opernfestspielen mit dem "Traumpaar" Jonas
Kaufmann und Anja Harteros in der Neuinszenierung von Verdis Il trovatore
ein fulminanter Auftakt gelungen ist (siehe auch unsere Rezension), geben
sich Kaufmann und Harteros auch in einer weiteren Verdi-Produktion im
Jubiläumsjahr die Ehre. Und obwohl Verdis Don Carlo in Jürgen Roses
Inszenierung aus dem Jahr 2000 schon einige Jahre auf dem Buckel hat, stellt
diese Produktion in der Publikumsgunst einen, wenn nicht gar den Höhepunkt
der diesjährigen Festspiele dar, wozu die weitere Besetzung mit René Pape,
Ludovic Tézier und Ekaterina Gubanova sicherlich nicht unwesentlich
beitragen dürfte. So waren die Karten bereits seit Monaten ausverkauft, und
selbst am Aufführungsabend sah man auf dem Vorplatz der Oper bald mehr
Ticketsuchende als Personen, die wirklich eine Eintrittskarte ergattert
hatten. Vielleicht hätte man diese Produktion für die audiovisuelle
Live-Übertragung auf dem Max-Joseph-Platz auswählen sollen. Der
Kartennachfrage hätte dies sicherlich keinen Abbruch getan, und man hätte
niemanden enttäuscht nach Hause schicken müssen.
Neben der
herausragenden Besetzung ist bei dieser Münchner Produktion vor allem
erwähnenswert, dass die gespielte Version zwar im Großen und Ganzen auf der
letzten italienischen fünfaktigen Fassung (Modena-Fassung) von 1886 basiert,
allerdings einige Passagen aus der Pariser Urfassung von 1867 integriert. So
gibt es zum Beispiel am Ende des vierten Aktes, bevor das Volk das Gefängnis
stürmt, um Carlos Freilassung zu erzwingen, ein Duett zwischen Carlo und
Philipp, in dem beide den Tod Posas beklagen. Dass sich der erste sogenannte
Fontainebleau-Akt, in dem Carlo erstmals auf seine designierte Braut
Elisabeth trifft und beide sich ihre Liebe gestehen, bis Philipp verkünden
lässt, dass er Elisabeth für den Friedensschluss zwischen Frankreich und
Spanien selbst ehelichen will, bereits im Kloster San Juste gewissermaßen
als Innenschau vor Carlos geistigem Auge abspielt, beruht allerdings auf
Jürgen Roses Regie-Konzept, das mit Ausnahme des Autodafés mit einem
Einheitsbühnenbild arbeitet.
Rose, der auch für das Bühnenbild, die
Kostüme und das Lichtkonzept verantwortlich zeichnet, lässt die Handlung in
einem riesigen nach hinten schräg ansteigenden dunklen Quader spielen, der
in seiner Abgeschlossenheit die seelische Isolation der Protagonisten
unterstützt. Zwar gibt es auf jeder Seite zahlreiche Türen, die aber eher
dazu dienen, jegliche Privatsphäre zu zerstören. Auf der linken Seite wird
dieser Quader von einem riesigen schwarzen Kreuz dominiert, das die
Allgegenwart und Allmacht der katholischen Kirche manifestiert. Nur für das
große Autodafé im dritten Akt verschwindet dieser Quader von der Bühne. Hier
wird in bunten Farben der ganze religiöse Pomp mit zahlreichen Heiligen, die
sich wie Spielfiguren auf vorbeiziehenden Wagen mit zahlreichen Lämpchen
drehen, vor Augen geführt. Auch der Großinquisitor wird in purpurnem Ornat
in diesem Festzug über die Bühne getragen. Mit welchem brutalen Realismus
Rose dann die Verbrennung der Ketzer in Szene setzt, lässt den Zuschauern
den Atem stocken. Auf einem riesigen angezündeten Scheiterhaufen zappeln
nackte und blutverschmierte Statisten: ein Bild, das in seinem grausamen
Ausmaß lange im Gedächtnis haften bleibt.
In dem nahezu
kammerspielartigen Ambiente des Quaders lässt Rose die Figuren von den
Sängerdarstellern glaubhaft entwickeln. Jonas Kaufmann zeichnet einen
gebrochenen Carlo, der über seine unerfüllte Liebe zu Elisabeth nicht
hinwegkommt und unter dem gestörten Verhältnis zu seinem Vater leidet. Noch
vor seinem ersten Treffen mit Elisabeth in Fontainebleu sieht er sie
engelsgleich durch den Raum schreiten. In dem anschließenden Duett gelangt
er mit Anja Harteros zu einer Innigkeit, die deutlich macht, wieso die
beiden in München als derzeitiges "Traumpaar" auf der Bühne gehandelt
werden. Dem leicht baritonal angehauchten dunklen Klang von Kaufmanns Stimme
setzt Harteros einen engelsgleichen Sopran mit strahlenden Höhen entgegen.
Dieses passende Zusammenspiel geht auch in den großen Duetten des zweiten
und fünften Aktes auf. Während sich Harteros im zweiten Akt beim heimlichen
Treffen im Garten Carlos Drängen gegenüber standhaft zeigt und ihn abweist,
ist es im letzten Akt Carlo, der nun wild entschlossen ist, seinen Auftrag
für Flandern zu erfüllen und der Liebe zu Elisabeth abzuschwören. Betörender
kann man diese Szenen derzeit wohl kaum erleben. Auch Harteros' große Arie
im letzten Akt "Tu che le vanità", mit der sie Carlos Ankunft in San Juste
erwartet, avanciert zu einem Höhepunkt der Vorstellung.
Doch Kaufmann
und Harteros stellen nicht die einzigen Glanzpunkte des Abends dar. Auch
René Pape reißt das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Mit markantem Bass
präsentiert er Philipp als einen kompromisslosen und misstrauischen
Herrscher, der allerdings in seiner großen Arie im vierten Akt "Ella giammai
m'amo!", in der er beklagt, von Elisabeth nie geliebt worden zu sein, auch
Schwäche zeigt. Wie Pape mit absolut zarten Piani diese Verzweiflung zum
Ausdruck bringt, geht unter die Haut. Der anschließende Auftritt von Taras
Shtonda als Großinquisitor wird mit dem anschließenden Duett zu einem
weiteren Höhepunkt des Abends. Wie Shtonda mit seiner reinen Bühnenpräsenz
und der Schwärze seines Basses erst den König und später am Ende des vierten
Aktes auch das aufrührerische Volk in die Knie zu zwingen vermag, ist
ebenfalls ganz großes Theater. Nur im letzten Akt zeigt der Großinquisitor
dann einen Moment der Schwäche, wenn Carlo von einem Mönch entrückt wird, in
dem der Großinquisitor die Stimme Karls V. zu hören glaubt. An dieser Stelle
lässt Rose den Mönch (Goran Jurić) auch wirklich in der Gestalt Karls V.
erscheinen.
Weiterer Star des Abends ist Ludovic Tézier in der Partie
des Posa. Mit durchschlagendem Bariton und grandiosen Spitzentönen macht er
die Absichten dieses freiheitsliebenden Adeligen regelrecht spürbar. Das
berühmte Duett mit Kaufmann "Dio, che nell'alma infondere", in dem sich
Carlo und Posa ewige Freundschaft schwören, lässt in der Interpretation der
beiden keinerlei Wünsche offen. Auch die große Szene zwischen Posa und
Philipp am Ende des zweiten Aktes, in der Posa mit seiner schonungslosen
Ehrlichkeit das Vertrauen des Königs gewinnt, wird im Zusammenspiel von
Tézier und Pape hervorragend umgesetzt. Absolut bewegend gelingt dann Posas
Abschied von Carlo im vierten Akt. Ekaterina Gubanova rundet als Eboli die
Riege der Spitzenstars hervorragend ab. Der Chor und Extrachor unter der
Leitung von Stellario Fagone überzeugen ebenso wie die kleineren Partien.
Zubin Mehta lässt mit dem Bayerischen Staatsorchester aus dem Graben einen
Verdi-Sound erklingen, der der Großartigkeit des Werkes mehr als gerecht
wird. So gibt es für alle Beteiligten am Ende frenetischen und in jeder
Hinsicht verdienten Applaus.
FAZIT Obwohl diese Inszenierung schon
13 Jahre alt ist, hat sie keinerlei Staub angesetzt und kann in dieser
Besetzung als ein, wenn nicht sogar der Höhepunkt der diesjährigen
Festspiele betrachtet werden.
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