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Abendzeitung, 19.7.2012 |
Robert Braunmüller |
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Schubert: Winterreise, München, Nationaltheater, 18. Juli 2012 |
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Den Liebesfrust hineingefressen
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Opernfestspiele: Jonas Kaufmann mit Franz Schuberts „Winterreise” im Nationaltheater |
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Der Sänger und das Publikum schenkten sich nichts. Sommer-Erkältungen
sorgten für ein unruhiges Grundrauschen im Nationaltheater, als sei eben die
Wiesnzeit vorüber. Jonas Kaufmann verweigerte den tenoralen Strahlemann. Er
nahm seine Stimme schon bei den vier Strophen des ersten Liedes immer weiter
zurück.
Der Held von Kaufmanns „Winterreise” ist introvertiert. Er
frisst seinen Frust hinein und leidet mit unterdrückter Wut. Das kommt dem
tragenden Piano und der baritonalen Mittellage dieses Sängers entgegen. Es
passte auch, dass seine Höhen schnitten wie ein Messer. Die schmerzgetränkte
Trauer dieser Schubert-Deutung kannte keine „schönen Stellen”, sie mied jede
gefühlige Gemütlichkeit und ordnete alles einer winterlichen Fahlheit unter.
Diese Zurücknahme und der Verzicht auf jede opernhafte Pose ist mutig,
zumal im großen Raum des Nationaltheaters. Die Konsequenz des 43-jährigen
Münchners stieß allerdings an gewisse Grenzen: Lieder, die wie der
„Lindenbaum” auch schärfere Kontraste und heftige Gesten fordern, gelangen
weniger, weil Kaufmann Gegensätze scheute. Dass der Publikumsliebling einige
Töne eher brüchig ansteuerte, störte bei dieser ungemein
ernsthaft-expressiven, vom Hörer letzte Konzentration abfordernden Deutung
nicht.
Helmut Deutsch sekundierte am Klavier kongenial ohne
Romantizismen eher ruppig als Vertreter der deutschen Schule. Die Anwesenden
– darunter Kaufmanns häufige Bühnenpartnerin Angela Gheorghiu an Nikolaus
Bachlers Seite in der Intendantenloge – ließen die beiden lange nicht
ziehen. Kaufmanns erster Auftritt nach einem hartnäckigen Infekt wurde
bejubelt wie selten ein Liederabend in letzter Zeit.
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