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Die Presse, 2.9.2012 |
WALTER WEIDRINGER |
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Verdi: Messa da Requiem, Salzburg 1.9.2012 |
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Opulent: Jubel für Verdis Requiem in Salzburg
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Chor und Orchester der Mailänder Scala mit Daniel Barenboim. Die Solisten waren homogener besetzt als letzten Herbst in Wien – auch wenn René Pape teils überraschend blass tönte. |
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Fast schien es ja, als sei Verdis „Messa da Requiem“ ganz bewusst für diesen
Vormittag angesetzt worden. Als solle am letzten Festspielwochenende
nochmals ein mahnender Zeigefinger erhoben und an den geistlichen Anfang mit
der „Ouverture spirituelle“ erinnert werden – zumal vor den Lustbarkeiten
des Abends, jenem Ball einer illustren Festival-Society, der von Anfang an
zu Alexander Pereiras Lieblingsplänen zählte. Aber zugegeben, bei diesem
Zusammentreffen führte wohl eher der Zufall in Gestalt internationaler
Tourneepläne Regie. Denn wie ihre Kollegen aus Cleveland, Leipzig oder
Amsterdam sind auch Chor und Orchester der Mailänder Scala derzeit viel
unterwegs – wobei Luzern einen Knotenpunkt der Reiserouten darstellt. Doch
irgendwie passen Ball und Verdi-Requiem doch zusammen: als Zeugnisse eines
großen Welttheaters der Sinnenlust von barocker Opulenz.
Schon beim
Scala-Gastspiel im November 2011 in der Staatsoper hatte Barenboim die
Totenmesse Verdis so interpretiert: Sie ist für ihn vielleicht nicht dessen
„schönste Oper“ (wie sie nördlich der Alpen lange gern abgekanzelt wurde),
aber doch ein bestürzendes Zeugnis emotionaler und dadurch auch
musikalischer Extreme. Diese schöpft er mit den famos seinen Intentionen
folgenden Mailändern rückhaltlos und ins Monumentale drängend aus – oder
nivelliert sie im dynamischen Bereich, um sie klanglich neu und anders
aufzubauen. Da mag Verdi noch so deutlich „pp sotto voce“, „estremamente
piano“ oder Ähnliches fordern, Chorstellen wie „Quantus tremor“ oder die
„Dies irae“-Einwürfe im „Liber scriptus“ wurden nicht bang und kaum hörbar
geflüstert, sondern zu tonlos-erregten Ausrufen umgedeutet: kollektive
Gebärden auf Barenboims Breitwandklangbühne.
Die Solisten waren
homogener besetzt als letzten Herbst in Wien – auch wenn René Pape teils
überraschend blass tönte und leichte Höhenschwierigkeiten nicht verbergen
konnte (hoffentlich kein Resultat seiner Wotan-Ausflüge der jüngeren Zeit).
Elina Garanca erfüllte ihre Partie mit recht schlanken, aber stets
ausgeglichenen Mezzosoprantönen, und Festspiel-Tenorissimo Jonas
Kaufmann (in Salzburg heuer als Bacchus, Don José und einmal sogar als
Rodolfo zu hören) erwies sich trotz einer Prise zu viel Larmoyanz als
sensibler Musiker. Über allen jedoch strahlte Anja Harteros mit
fast durchwegs ideal geformten, berückenden Sopranphrasen. Enormer Jubel.
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