Der Neue Merker, 2. September 2012
Peter Dusek
 
Verdi: Messa da Requiem, Salzburg
 
Großes Finale in Salzburg mit Verdi’s Messa da Requiem
 
 
Unter Karajan war es fast immer so: man traf sich noch einmal zum großen Finale bei den Salzburger Festspielen. Im Sommer 2012 bedeutete dies für viele das Verdi-Requiem als Gastspiel der Mailänder Scala mit Chor und Orchester unter Daniel Barenboim und einem exquisiten Solisten-Quartett, wie man es derzeit kaum besser besetzen kann. Das lockt auch die Experten und die Freaks nach Salzburg. „Suche Karte“ war für Jonas Kaufmann, Elina Garanca, Rene Pape und Anja Harteros besonders oft zu lesen.

Und im elitären Publikum tatsächlich zu entdecken: Eliette von Karajan und Mirella Freni. Der Schatten Herbert von Karajans lag also insgesamt über dieser Veranstaltung, die das epitheton ornans „außergewöhnlich“ verdient. Der israelische Dirigent, der in Buenos Aires geboren wurde, legt das Verdi-Requiem gar nicht so theatralisch und opernhaft an, wie dies zumeist geschieht. Seine Version eines Totengedenkens macht betroffen , lädt zum Verweilen ein – wird zur intellektuellen Auseinandersetzung mit den letzten Dingen. Daniel Barenboim präsentiert ein bestens disponiertes Scala-Orchester und den gewaltigen Chor der Mailänder Scala (Leitung Bruno Casoni) in Höchstform. Und seine vier Solisten sind derzeit ebenfalls kaum zu überbieten: Anja Harteros verfügt über die nötige Forte- und Piano-Kultur, müht sich etwas mit den Tiefen im Libera me, aber in der strahlenden Attitüde der Höhe ist sie kaum zu überbieten. Die deutsche Sängerin wäre zweifellos auch eine herrliche Aida! Elina Garanca betört durch das sinnliche Timbre ebenso wie durch die außergewöhnliche Musikalität ihres Singens. Im liber scriptus oder im recordare spielt sie die ganzen Klangfarben ihrer herrlichen Mezzo-Stimme aus, die ganz ohne Registerwechsel auskommt. Eboli ließ in ihrem Fall grüßen. Jonas Kaufmann singt den Tenorpart ohne jede Mühe. Seine baritonale Mittellage ist in dieser Partie besonders ungewohnt. Aber wenn er – wie etwa im Ingemisco – mit seiner strahlenden, sinnlichen Höhe auftrumpft, dann gehört er ebenfalls zu den Atouts dieses Konzerts und macht ihn zum Parade-Tenor der neuen Salzburger Ära. Auch Rene Pape war großartig, er „orgelt“ vielleicht nicht so wie einst ein Nicolai Ghiaurov. Aber sein Singen geht unter die Haut und sein Vortrag ist vergleichsweise raffiniert und differenziert!

Bleibt noch die Reaktion des Publikums zu erwähnen. Die Spannung dieses Verdi-Requiems war so stark, dass man meinte, diesmal ohne Applaus nach Hause zu gehen. Dann brandete aber eine ungeheure emotionale Welle der Begeisterung auf: es wurde getrampelt und gepfiffen. Und es gab „standing ovations“ – nicht gerade üblich bei einem Requiem. Leider wurde weder auf Ö-1 noch im Fernsehen übertragen. Die Medien konzentrierten sich auf die Aufführung des Verdi-Requiems am vergangenen Mittwoch in Mailand, von wo aus nach Luzern und Salzburg „ausgependelt“ wurde. Doch Fans, die alle drei Konzerte live erlebten, fanden die Salzburger Vorstellung am besten. Doch das wird sich kaum jemals beweisen lassen.










 
 
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