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Der Neue Merker, 2.9.2012 |
Georg Freund |
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Verdi: Messa da Requiem, Salzburg 1.9.2012 |
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SALZBURG: Verdis MESSA DA REQUIEM
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Mit geistlicher Musik begannen die heurigen Salzburger Festspiele, mit
Verdis Requiem, seiner „geistlichen Oper“, wie dieses Werk so oft nicht ganz
zu Recht genannt wird, endeten sie. Eine höchst prominente Besetzung war
aufgeboten: Barenboim als Dirigent und das Solistenquartett Harteros,
Garanca, Kaufmann und Pape. Im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen war die
Aufführung seit langem ausverkauft und vor dem Großen Festspielhaus standen
zahlreiche Kartensuchende mit Schildern und Tafeln, wohl vergeblich.
Mit Hilfe der genannten Solisten sowie des Chores und des Orchesters der
Scala di Milano entfesselte Daniel Barenboim die apokalyptischen Schrecken
des Weltunterganges mit jüngstem Gericht und riss das Publikum zur höchsten
Begeisterung hin. Seine Interpretation bot nicht nur gewaltige,
erschütternde Ausbrüche, sondern auch zarte Lyrismen, innigen Gebetston und
fast tonlose Rezitation. Der Scala-Chor, der beste Opernchor, den ich kenne,
und das ausgezeichnete Scala-Orchester waren perfekt einstudiert. So wurde
etwa das das heikle tuba mirum mit den im Rang des Festspielhauses
zusätzlich postierten Trompeten, allzu oft ein Stolperstein in Aufführungen
des Requiems, makellos bewältigt. Barenboims Leistung verdient das Epitheton
„grandios“ voll und ganz.
Hinreißend die geradezu engelhafte, klare
und kräftige Sopranstimme von Anja Harteros, die ihre ungemein
anspruchsvolle Partie virtuos bewältigte. Die flehende Bitte ihres Libera me
müsste auch den strengsten Richter milde stimmen. Die Harteros hat wohl
heutzutage im lyrisch-dramatischen Fach keinerlei Konkurrenz zu scheuen und
sie verfügt auch über eine hoheitsvolle Erscheinung: In ihrer schwarzen
Samtrobe wirkte sie wie die tragische Muse Melpomene höchstpersönlich. Auch
Elina Garanca ist ein eye-candy und sang schön und gefühlvoll, ganz ohne
Larmoyanz: Am besten gelang ihr, wie ich finde, der Part im Terzett lux
aeterna. Garancas Stimme ist ein leichter Mezzo und in manchen Passagen
würde man sich eine etwas sattere Tiefe und etwas mehr Volumen wünschen. Das
Duett recordare Jesu pie klang fast als würde es von zwei Sopranen
ausgeführt. Auch René Pape fehlte ein wenig „des Basses Grundgewalt“. Mors
stupebit et natura klang etwas fahl , Pape konnte sich aber steigern und
sang ein eindrucksvolles confutatis maledictis. Jonas Kaufmann, der
das Verdi-Requiem schon vor zwei Jahren unter Mariss Jansons in Salzburg
gesungen hat, befindet sich derzeit in stimmlicher Höchstform und brillierte
mit strahlenden Höhen, stupender Gesangstechnik und dynamischen Finessen:
Unvergleichlich sein herrliches Piano, sein wohldurchdachter musikalischer
Ausdruck, der auf dem vollen Verständnis des lateinischen Textes basiert,
das er sich auf seinem Bildungsweg erworben hat. Kaufmann hatte im Gegensatz
zu vielen anderen Tenören keinerlei Mühe mit den Trillern im Offertorium und
sein Ingemisco war neben dem Libera me der Harteros Höhepunkt der Matinée.
Gegen Ende des dies irae verlor Kaufmann seinen Kummerbund. In der von
Barenboim extra verlängerten Pause vor dem Domine Jesu hob der Sänger das
flüchtige Kleidungsstück wieder auf und schnallte es seelenruhig um. Die
Ergriffenheit des Publikums verhinderte jeden Heiterkeitsausbruch, der bei
anderer Gelegenheit wohl unausweichlich gewesen wäre. Verdis
Auseinandersetzung mit dem Tod berührt ja wohl jeden Zuhörer, auch fern
aller metaphysischen Bezüge, die schon dem Komponisten, der bekanntlich
Agnostiker war, wenig bedeuteten.
Nach der im Pianissimo
verlöschenden Bitte des Chors „libera me“ herrschte lange betroffene Stille
im Festspielhaus bevor frenetischer Applaus und Jubel, verstärkt durch das
aus deutschen Landen übernommene Getrampel, einsetzten. In meiner Jugend
pflegte man nach einer Totenmesse nicht zu klatschen und ich erinnere mich,
wie Karajan einst nach einer Aufführung des Verdi-Requiems den schüchtern
aufkommenden Applaus mit einer verächtlichen Handbewegung abwürgte.
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