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Salzburger Nachrichten, 16. August 2012 |
Von Ernst Strobl |
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Bizét: Carmen, Salzburger Festspiele, 14. August 2012 |
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"Carmen" als Wiederaufnahme bei den Festspielen
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Bizets "Carmen" erlebte bei der Premiere eine Schrecksekunde. Die
Aufführung beflügelte die Buhschreier. |
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Erst hatte er sie nicht gewollt, dann musste er auch noch als Ansager auf
die Bühne: Georges Bizets Oper "Carmen" wurde nach den Osterfestspielen am
Dienstag beim Sommerfestival wieder aufgenommen. Festspielintendant
Alexander Pereira hatte kein Hehl daraus gemacht, dass dies nicht in seinem
Sinne war. Nun musste er nach der Pause sogar vor den Vorhang treten.
Zum zweiten Mal in diesem Sommer musste man innerhalb kürzester Zeit
einen Ausfall kompensieren und einen Behelfssänger als "Stimme" eines
verstummten Darstellers finden. Erwischt hatte es diesmal den Sänger des
Escamillo, Kostas Smoriginas, dem mitten in seiner angeberischen
Auftrittsarie die Stimme wegbrach. Der Oktavsprung nach unten half auch
wenig, brachte aber die Szene zu Ende.
Jonas Kaufmann, der bei "La
Bohème" Piotr Beczala nach dessen Ausfall synchronisiert hatte, stand wie
geplant als Don José auf der Bühne. Nun wurde man bei der "Bohème"-Besetzung
fündig. Massimo Cavalletti, der Marcello aus Puccinis Oper, stellte sich an
den Bühnenrand und dröhnte los, was das sängerische Gleichgewicht leider
empfindlich störte. Noch im Juli hatte Cavalletti in Zürich die Rolle
verkörpert. Pereiras Schweizer Sängerkonto ist also immer noch hilfreich.
Smoriginas und Cavalletti, die beiden unfreiwilligen Helden, konnten sich
wenigstens am Ende über herzlichen Beifall freuen. Das war nicht allen
vergönnt.
Schon zu Ostern wurde viel geredet darüber, als Magdalena
Kozená in die Rolle der supersinnlichen Zigeunerin Carmen schlüpfte und
nicht als ideale Besetzung erschien. Damals hatte man mit Applaus gespart.
Jetzt im Sommer hatte das Publikum weniger Hemmungen, es gab Buhs für die
Sängerin und gleich auch für den dirigierenden Gatten, Sir Simon Rattle,
sowie für das Szenikerteam um Aletta Collins.
Dabei hatte die
Regisseurin als gelernte Choreografin eine volksnahe Inszenierung vorgelegt,
zusätzlich Tänzer eingebaut, die mit Hüftschwung und Fußstampfen eine
authentische spanische Note einbrachten und sehr viel Bewegung.
Zigarettenfabrik und ein Volksfest zum Stierkampf wurden anschaulich
bebildert, Aletta Collins zeigte das pralle Leben in Sevilla mit spanischer
Lust am Feiern. Auch an den Details im Drama der überbordenden
Leidenschaften hatte die Regisseurin seit Ostern weiter gefeilt.
Zweckdienlich war die Bühne von Miriam Buether mit einem Laufsteg rund um
das Orchester für Tänze, Auf- und Abmärsche. Geliebt und gekämpft wurde in
Lillas Pastias Plüschbar, geschmuggelt wurde im Kanalsystem, gestorben auf
dem Dorfplatz mit mediterranen Farben. Dies ist eine folkloristisch
grundierte Aufführung, die sich sehen lassen kann.
Jonas
Kaufmann war wieder der irregeleitete Don José und punktete mit großer
Intensität und dem dunklen Glanz seines Tenors. Riesenjubel empfing
Genia Kühmeier als Micaëla, die mit Innigkeit und Unschuld berührte.
Auch die kleinen Rollen hatten makellose Einsätze, von Christian van Horn
(Zuniga), Andrè Schuen (Morales), Christina Landshamer (Frasquita) bis
Rachel Frenkel (Mercédès). Magdalena Kozená verdiente die Buhs nicht, sie
hatte enorme sängerische Klasse in jedes Detail der schillernden Figur der
selbstbewussten Frau investiert. Das Große Festspielhaus ist vielleicht
etwas zu groß. Diskussionen über erotische Ausstrahlung sind wenig
zielführend. Statt der Berliner spielten nun die Wiener Philharmoniker mit
all ihrer Erfahrung in Sachen Opernglut. Das kam Sir Simon Rattle zugute.
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