Der Neue Merker, 5/2012
G.Hoffmann
 
Liederabend, Baden-Baden, Festspielhaus, 23. April 2012
 
JONAS KAUFMANN - 23.4.
 
Innerhalb weniger Wochen gastierte JONAS KAUFMANN zum zweiten Mal im Festspielhaus, diesmal mit einem reinen Liederabend. Und wiederum bewies der Ausnahme-Sänger seine Vielseitigkeit als Meister der vokalen Gestaltung. Seine Tenorstimme verfügt über ein so breites Spektrum an Klang, Färbung, wirkt in allen Registern ausgewogen und abgerundet, ist zudem mit einem herrlichen, ansprechenden Timbre gesegnet und von variabler Intensität, sodass man glaubt, einem vorzüglichen Erzähler zu lauschen.

Diese Kunstvorzüge kommen besonders den anspruchsvollen Liedern „Der König von Thule" und „Die drei Zigeuner" von Franz Liszt zugute. Traumhafte Nuancen schenkt Kaufmann den Liedern „Freudvoll und leidvoll" und „Ihr Glocken von Marling", herbe Töne mischt er „Vergiftet sind meine Lieder" und „Im Rhein, im schönen Strome" bei. Sind die „Rückert-Lieder" von Gustav Mahler zwar im eigentlichen Sinne das Metier des Bariton- oder Mezzofachs, so kommen sie doch dem dunkel gefärbten Timbre Kaufmanns sehr entgegen und es war äußerst faszinierend, diese ungewöhnlichen Vertonungen in seinem eigenwilligem Vortrag zu erleben. Zart, gemäßigt, innig, ja verhalten, erklangen besonders „Liebst du um Schönheit", „Ich bin der Welt abhanden gekommen" und fast beschwörend und sehr bewegend „Um Mitternacht".

Der grandiose Pianist HELMUT DEUTSCH war nicht nur elitärer Begleiter, sondern erwies sich als kongenialer Partner, lieferte auf so hohem Niveau die delikaten Untermalungen diskret und aussagekräftig, in atemberaubender Intensität. Diese äußerste Dichte und Variabilität wies schon symphonische Strukturen auf. Ein absoluter Meister seines Fachs! Wird es oft problematisch, wenn sich deutschsprachige Sänger an französischem Liedgut versuchen - nicht so bei Jonas Kaufmann. Mit stilistischer Sicherheit bewegte sich der Tenor auf dem Parkett der Miniaturen von Henri Duparc, schenkte „L 'Invitation au voyage" und „Phidylé" Esprit und Noblesse sowie dem „La vie antérieure" impressionistische Coleurs, Sinnlichkeit „Le manoir de Rosemonde" sowie einen Hauch Melancholie „Chanson triste". Man spürte förmlich den apollinisch anmutenden Ton und das Wohlbehagen des Sängers in diesen duftigen Melodien. Diesen Eindruck gewann ich als Zuhörer auch besonders bei den Liedern von Richard Strauss, jedoch habe ich dieses Liedgut schon strahlender, melidiöser, musikalisch ausgefeilter gehört. Dennoch war ich von Kaufmanns Auslegung sehr beeindruckt. Feinfühlig webte der Sänger die Stimmungen in „Befreit", „Morgen". Voll emotioneller Beteiligung gerieten „Heimliche Aufforderung", „Cäcilie" sowie die weniger verhaltenen Beiträge „Schlechtes Wetter" und „Schön sind, doch kalt die Himmelssterne". Das Publikum zeigte zwar Begeisterung, aber nicht die sonst übliche Euphorie. Somit beschränkten sich die beiden Künstler auf nur zwei Zugaben „Breit'über mein Haupt" und „Weh mir unglückhaften Mann" (Strauss).



 






 
 
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