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Badische Zeitung, 2. August 2012 |
Alexander Dick |
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Strauss: Ariadne auf Naxos, Salzburger Festspiele, 29. Juli 2012 |
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Ottonie auf Naxos
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SALZBURGER FESTSPIELE II: Daniel Harding dirigiert, Sven-Eric Bechtolf inszeniert Hofmannsthals und Strauss’ "Ariadne" in der selten gespielten ersten Fassung. |
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Ein paar Mal klingelt ein Handy. Zwischendurch scheint jemand so eingenickt
zu sein, dass man ob des Vom-Stuhl-Kippens heftig erschrickt. Dann wird
schon applaudiert, wenn das Orchester noch lange nicht zu Ende gespielt hat.
Das alles hat Sven-Eric Bechtolf nicht inszeniert. Aber es fügt sich nicht
schlecht ein in die Welt des Bourgeois gentilhomme, jener Molière-Figur des
neureichen Monsieur Jourdain, die unter den Schönen und Geistreichen ihren
Platz sucht. Und die Hugo von Hofmannsthal in seiner ersten Fassung der
"Ariadne auf Naxos" vorausgestellt hat, als eigens bearbeiteten "Bürger als
Edelmann", zu dem wiederum auch Richard Strauss eine entzückende Bühnenmusik
geschrieben hat, heute meist als Suite konzertant aufgeführt.
Schon
an dieser Stelle holt man tief Luft ob des Beziehungsgeflechts, das um diese
– mit der Wiener Staatsoper koproduzierten – "Ariadne aus Naxos" der
Salzburger Festspiele in der ersten Version gestrickt werden kann. Keine
Frage, die Festspielstadt mit ihrem Beziehungsreichtum von Oper und
Schauspiel ist der richtige Ort für dieses Experiment; fast ausnahmslos hat
sich die zweite Fassung der "Ariadne" auf den Bühnen durchgesetzt, der
ersten haftet das Etikett des Misserfolgs noch an, womöglich auch, weil bei
der Uraufführung vor 100 Jahren in Stuttgart der württembergische König den
Abend durch seine Empfänge und Soupers in der Pause noch zusätzlich in die
Länge zog. Gut dreieinhalb Stunden dauert es im Haus für Mozart, denn auch
der "Ariadne"-Akt ist gegenüber der zweiten Fassung länger. Frappierend vor
allen Dingen der Schluss. Keine elegische Verklärung durch das Liebespaar
Ariadne-Bacchus, stattdessen eine längere Passage für die
Commedia-dell-arte-Truppe und dann ein gesprochener Epilog des gastgebenden
Parvenu Monsieur Jourdain, der mit seinem Schicksal hadert, nicht schon als
Marquis geboren worden zu sein. Da geht Gesellschaftskritik vor Verklärung,
und damit hatte sich Hofmannsthal viel deutlicher als in der zweiten Fassung
gegen seinen kongenialen Komponistenfreund durchgesetzt.
Der neue
Salzburger Schauspieldirektor, schon während der Zürcher Jahre von Intendant
Alexander Pereira ein Art Regisseur in Residence, führt in seiner
Inszenierung die feine Gesellschaft aber nicht vor, er stichelt nur ein
bisschen. Die Adabeis werden sich nicht wiedererkennen (wollen) in Jourdain
alias Cornelius Obonya, der mit seinem "Ottakringer Dialekt" und seinen
virtuosen Nestroy’schen Possen in der wunderbar-komischen Wiener Tradition
des Wurstlprater-Kasperls steht und sich mit dem so hinreißenden Peter Matic
als borniertem Haushofmeister die schönsten Duelle liefert. Bechtolf geht es
sowieso um mehr: eine Korrespondenz des Stücks mit seinem
Entstehungskontext. In einer von ihm konstruierten Rahmenhandlung
disputieren Hofmannsthal (mit Noblesse: Michael Rotschopf) und die von ihm
verehrte Ottonie von Degenfeld-Schonburg (hochsensibel, die perfekte
Jugendstilfigur: Regina Fritsch) über das Stück als Spiegel ihrer Beziehung:
In der trauernden Ariadne finden sich die Wesenszüge der Witwe. Am Ende
suggeriert eine innige Umarmung des Paares das, was im richtigen Leben wohl
nicht zustande kam: sozusagen eine zusätzliche Ästhetisierung eines
Schlüsselwerks des Jugendstil-Ästhetizismus.
Rolf Glittenbergs weißer
Einheitsraum mit seiner Rotunde, die einen Ausblick auf eine Allee à la
Gustav Klimts Schloss Kammer gewährt, und die zeitlichen und stilistischen
Ebenen fantasievoll charakterisierenden Kostüme von Marianne Glittenberg
schaffen dazu einen inspirierenden, idealistischen Rahmen. Die eingestürzten
Flügel im "Ariadne"-Akt wirken dagegen zu sehr wie romantische
Konfektionsware – zum Glück übertünchen Bechtolfs ausgeklügelte
Personenregie und Heinz Spoerlis versierte Choreographien ihren
Dekorationscharakter.
Es steckt viel Zürich in dieser "Ariadne". Wie
2006 dort singt Emily Magee eine berührende, klar phrasierende, nur in der
tiefen Mittellage etwas zurückhaltende Titelpartie; und wie dort jongliert
Elena Mosuc mit Zerbinettas Koloraturen – bewundernswert zirzensisch, aber
sehr soubrettig. Und dann Jonas Kaufmann: Was für ein Idealbild des
Bacchus – vor dunkel timbrierter Kraft in der Höhe strotzend, elektrisierend
und auch im Piano nicht an Substanz verlierend. Daniel Harding
trifft am Pult der Wiener Philharmoniker nicht immer den delikaten Ton der
Musik, da wirkt einiges zu derb, inhomogen und selbstverliebt; zumal das
Orchester mit so mancher Einzelleistung (Solovioline) über seinen Weltruf
und seine Einstellung zu diversen Dirigenten nachdenken lässt…
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