|
|
|
|
|
Der Neue Merker |
Dominik Troger |
Massenet: Werther, Wiener Staatsoper, 17. Januar 2011
|
Wiener Staatsoper: WERTHER - eine Frage des Stils - am
17.1.2011
|
Mit Spannung wurde das „Werther“-Rollendebüt von Jonas Kaufmann an der
Wiener Staatsoper erwartet. Es wurde – mit Sophie Koch als Partnerin – der
programmierte Erfolg. |
|
Jonas Kaufmann gilt derzeit als Superstar. Eine Beurteilung, die natürlich
immer nur „subjektiv“ sein kann, fällt hier umso schwerer. Kaufmann Fans
werden mit den folgenden Zeilen keine ungeteilte Freude haben.
Jonas Kaufmanns baritonaler Tenor hat auch an diesem Abend seine
begeisternde Wirkung auf das Publikum nicht verfehlt, wird aber in seinem
sängerischen Individualstil immer wieder auch kritisch hinterfragt werden.
So konnte man in den beiden Pausen durchaus Besucherstimmen hören, die ob
der unfokussierten, gaumigen Tiefe und der sehr dunkel (ver)färbenden
Mittellage, dem schwerfälligen Vortrag und der wenig tragenden Piani so ihre
Zweifel hatten.
Und allzuoft schwappte auch für mich dieses „Baritonale“ wie eine zu ölige
Flüssigkeit einebnend über die Gesangslinie. So blieb Werthers Schwärmerei
den ganzen Abend an ein (zu?) viriles Fundament gebunden, das seine
Leidenschaften nicht durch kunstvoll gesponnene Poesie verfeinern konnte.
Zudem verschob er beim „Pourquoi me réveiller“ (und nicht nur hier) mit
kräftigem Verismoausbruch die fragile Gefühlswelt Massenets in die Richtung
eines Canio oder Don José – wovon der Gesamteindruck, den seine Stimme
hinterließ, aber durchaus profitierte.
Kaufmann hat vor einigen Tagen in einem Interview mit der Tageszeitung
Kurier angedeutet, dass er Probleme damit habe, Werther „sympathisch“ zu
finden. Vielleicht hindert ihn eine prinzipielle Abneigung daran, sich der
Innerlichkeit und depressiven Eigendynamik dieses Charakters anzuvertrauen.
Schon im ersten Akt, als er den Neurotiker mimte, einen
verklemmt-schüchternen Burschen, der von seinem Anzug immer wieder
Staubkörnchen putzte, schien dieser „Werther“ „konstruiert“ und wenig
„natürlich“ – und wenn er sich dann, im Finale des ersten Aktes, noch zu
einem sehr äußerlichen Gefühlsausbruch hinreißen ließ, so stellte sich mir
überhaupt die Frage, ob ein Werther, der solcher Art reagiert, diesen langen
Weg zum Selbstmord schauspielerisch rechtzufertigen vermag. Und konsequenter
Weise bot Kaufmann für mich auch im Finale keine überzeugende Lösung an, als
er noch einmal vom Totenbette auferstand und dann stocksteif auf seine
Ruhestätte fiel.
Sophie Kochs Charlotte bevorzugte eine gefasste, eher abgeklärtere
Gefühlshaltung, ohne dabei manieristisch oder besonders „emotional“ zu
werden. Ihre Stimme verfügte in allen Lagen über eine klare Tongebung, und
bei ihr konnte man auch hören, wie man in Massenets musikalische Emotionen
eine durchgehende künstlerisch-stilistische Linie bringt.
Adrian Eröd steuerte den Albert bei, sein Bariton klang an diesem Abend
nicht so frisch wie gewohnt. Die Sophie der Ileana Tonca ist bewährt, zeigte
jugendliche Lebensfreude und sorgt für hübsch-passenden Gesang. Der
Kinderchor vom Beginn vermittelte realistisch, dass es eine Qual sein muss,
im Sommer Weihnachtslieder zu üben – und Janusz Monarcha vermittelte die
Qual, einen solchen Chor leiten zu müssen. Clemens Unterreiner hinterließ
bei den „Nebenfiguren“ wieder einmal den mit Abstand besten Eindruck.
Das Orchester unter Frédéric Chaslin erreichte in der Gesamtschau
mittelprächtiges Repertoireniveau, wenn man das so kurz und prägnant
klassifizieren darf. Einige Stellen gelangen schön, und man wurde daran
erinnert, wie feinfühlig und mit welch geschmackvoller Klangsinnlichkeit
Massenet die Partitur gearbeitet hat, anderes wieder geriet einfach nur zu
laut.
Der Schlussapplaus fokussierte vor allem Kaufmann und Koch und währte
ziemlich genau zehn Minuten lang.
|
|
|
|
|
|