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Salzburger Nachrichten, 18.1.2011 |
ERNST P. STROBL |
Massenet: Werther, Wiener Staatsoper, 17. Januar 2011
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Der Tod kennt viele Ursachen
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Das Repertoire kann durchaus Glanz vertragen, dachte sich Dominique Meyer
wohl, als er seine Gastverträge für seine erste Saison als
Staatsoperndirektor unterschrieb. Jonas Kaufmann und Sophie Koch als
tragisches Liebespaar in Massenets „Werther“ sowie Camilla Nylund als Salome
im Musikdrama von Richard Strauss, das lockte sogar die wählerische Wiener
Presse in den oft geschmähten Opernalltag. Von den diversen Feinspitzen und
Fanclubs ganz abgesehen.
Beide Opern haben als Titelhelden Figuren mit völlig überhitztem
Psychoklima, sind musikalisch und darstellerisch ergiebig und führen zum
Tod. Salome erpresst den geilen Tetrarchen Herodes und erhält nach ihrem
Schleiertanz den Kopf des Jochanaan, um danach selbst getötet zu werden,
Werther – nach Goethes sentimentalem Briefroman – trifft die Liebe zu
Charlotte wie der Blitz, ihre Unerreichbarkeit treibt ihn zum Selbstmord.
Beide Komponisten fanden aufregende, im Fall von Strauss expressive Musik,
was will man mehr in der Oper – außer bestmöglichen Sängern?
Am Sonntag stand Camilla Nylund auf der Bühne in Boleslaw Barlogs zum 195.
Mal gezeigter Inszenierung. Der Superroutinier Peter Schneider dirigierte
das blendend disponierte Staatsopernorchester und ließ sich mitunter vom Sog
des strausschen Musikstroms zu gewaltigen Kraftentfaltungen hinreißen.
Camilla Nylund verfügt sowohl über lyrische Schönheit (man denke an
„Rusalka“ in Salzburg) als auch über das dramatische Potenzial, das ihre
Salome zum Erlebnis erhob. Der Jubel konnte nicht ausbleiben. Iris
Vermillion imponierte als Herodias, Tomasz Konieczny als ausdrucksstarker
Jochanaan, Wolfgang Schmidt als Herodes konnte nicht ganz mithalten.
Gar nicht mehr von der Bühne lassen wollte das Publikum am Montag das
aktuelle Traumpaar als Werther und Charlotte: Jonas Kaufmann und Sophie Koch
sind fürwahr eine Klasse für sich. Andrei Serbans zweckdienliche, von einer
„begehbaren“ Riesenlinde (Bühne Peter Papst) dominierte
„Werther“-Inszenierung hatte 2005 Premiere, es war die 36. Aufführung.
Regiemäßig war das Personal ein wenig auf sich gestellt, so verlegte sich
die Spannung um das verhinderte Liebespaar inmitten der biederen Umwelt eher
auf den stimmlichen Empfindungsreichtum. Jonas Kaufmann hat sicher einen der
nobelsten, „rundesten“ Tenöre unserer Zeit, seine gestalterische Intelligenz
hätte eines mitfühlenderen Dirigenten bedurft, als es Frédéric Chaslin war,
der das Orchester zu allerhand Grobheiten anstiftete. Großartig war
Sophie Koch als Gefangene von Zwängen, zu denen auch die Ehe mit Albert
(sehr präsent Adrian Eröd) zählt. Die Qualität des Repertoires ließ sich bei
beiden Produktionen am durchwegs ansprechenden Niveau der
Nebenrollen-Besetzungen ersehen. |
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