Epoch Times, 9. Oktober 2011
Rosemarie Frühauf
Liszt-Lieder, Berlin, Schillertheater, 7. Oktober 2011
 
Barenboim begleitet Jonas Kaufmann und Dorothea Röschmann
 
 
In der Berliner Staatsoper im Schillertheater sangen am Freitag, begleitet von Daniel Barenboim am Klavier, die Sopranistin Dorothea Röschmann und Tenor Jonas Kaufmann vor ausverkauftem Haus. Jonas Kaufmann trat anstelle von Bariton Thomas Quasthoff auf, der aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hatte.

Liszt, der unterschätzte Liedkomponist

Liszts Lieder stehen im Schatten seiner gewaltigen Klavierwerke. Doch waren sie zu ihrer Zeit hochmodern, da sie verschiedene musikalische Strömungen, die sich erst Jahrzehnte später manifestierten, vorweg nahmen.

Mit den klassisch strukturierten Liedern Schuberts sind Liszts Lieder kaum vergleichbar, eher sind sie Klangbilder, die in spannungsreichen Harmonien, teilweise mit gewagten musikalischen Wendungen und virtuosen Einschüben, auf die Texte der Dichter antworten. Liszt schien seine Lieder, ähnlich seinen Klavierwerken, wie aus einem grenzenlosen Klangraum herauszukristallisieren, quasi als Momentaufnahme einer Emotion, die selbstverständlich klingen soll. Und genau deshalb ist ihre Darbietung eine Feuerprobe für die Interpreten. Mit seiner flachen Akustik ist das Schillertheater ein schwieriger Ort für solche Musik, die von schwebender Unfassbarkeit lebt. Doch einige faszinierende Augenblicke gelangen Barenboim und den Sängern.

Zwischen Zartheit und zu viel Pathos

Die Sopranistin Dorothea Röschmann bestritt den ersten Teil des Abends. Technisch makellos, aber ziemlich kühl und etwas unausgeglichen wirkte ihr schlanker Sopran. Gerade am Anfang schien dies von Nervosität herzurühren, später legte sich ihre Anspannung etwas. Barenboim, der mit geöffnetem Flügel spielte, war eins mit der Musik und begleitete sie behutsam, aber es wirkte etwas nebeneinander her. Ihre besten Momente hatte Röschmann in den verhaltenen Stücken, wie zum Beispiel „Der du von dem Himmel bist“, wo sie eine sehr zarte Herangehensweise wählte.

Liszts dramatisch ausgeschmückte Version von Heinrich Heines Loreley, der Höhepunkt des ersten Teils, wirkte dagegen etwas überspannt und gespielt. Trotzdem gab es großen Applaus für Röschmann, die sich mit einer Zugabe in die Pause verabschiedete.

In der Ruhe liegt die Kraft

Im Teil zwei bildeten Barenboim und Jonas Kaufmann ein wahres Dreamteam. Die beiden fanden vom ersten Moment zu lückenloser atmosphärischer Dichte und beeindruckender Synergie. Kaufmanns energiegeladene Ruhe, die ihm die absolute Konzentration auf die Musik erlaubt, übertrug sich im Moment seines Auftritts auf das Publikum und die Liszt´schen Klangmeditationen funktionierten auf einmal.

Kaufmann konnte subtil alle Nuancen seiner Stimme auskosten, in der sich Tiefen und Höhen übergangslos mischen und die Lieder als Meister der leisen Töne ausmalen. Die Grenze zur Oper streifte er elegant und nur wo nötig (zum Beispiel mit der packenden Version des „König von Thule“ über wogenden Klavierklängen). Maximal ging er bis zum Forte, das genügte bereits, um das Publikum in Bann zu schlagen ...

Die launige Erzählung „Die drei Zigeuner“ (nach einem Text von Nikolaus Lenau) wurde der heimliche Höhepunkt des zweiten Teils, denn hier hatte auch Barenboim die Gelegenheit, sich gekonnt in den Vordergrund zu spielen. Mit den Drei Sonetten von Petrarca (auf Italienisch gesungen) entfaltete Kaufmann in überraschenden melodiösen Phrasen noch einmal seine ganze Leidenschaft und Wandlungsfähigkeit. Selbstverständlich gab auch er eine Zugabe („Freudvoll und leidvoll“)

Nach minutenlangem Applaus sangen Röschmann und Kaufmann zum Schluss noch etwas gemeinsam. „Leider ist das nicht mehr von Liszt“, entschuldigte sich Barenboim humorig, als er das Duett „In der Nacht“ von Robert Schumann ankündigte. Es wurde ein sehr klangschöner und entspannter Moment, der vom Publikum begeistert aufgenommen wurde.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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