Münchner Abendzeitung, 04.02.2011
Robert Braunmüller
 
Auch die Oper braucht empfindsame Männer
 
Bizets unverwüstliche "Carmen" mit Jonas Kaufmann als Don José im Nationaltheater
 
Nur wer auch mit tragender Stimme leise singen kann, hat ein gesundes Forte. Wie kaum ein anderer Sänger bestätigt Jonas Kaufmann diese alte Einsicht. Er hat es nicht nötig, das hohe B am Ende der Blumenarie billig zu schmettern, wie es italienische oder russische Tenöre gegen Bizets ausdrücklichen Wunsch beifallsheischend zu tun belieben. Bei Kaufmann ist dieser Ton voll zärtlicher Empfindsamkeit und das Ziel einer musikalisch-psychologischen Entwicklung. Sein Don José begehrt Carmen nicht nur, er liebt sie von Anfang an. Am Beginn des Finales, wo andere Tenöre wild herumschreien, findet er fast resignierte Töne. Dann steigert er sich in eine rasende Eifersucht hinein. Eine kluge, moderne Deutung der Figur fern von jedem billigen Machismo.

Die Carmen kam dagegen aus dem guten alten Bilderbuch: Die Georgierin Anita Rachvelishvili verzichtete mit ihrem dunkel timbrierten Mezzo auf Gegurre. Sie zeichnete gerade Linien, setzte in der Kartenszene allerdings einige Noten in den Sand und sparte sich die tragische Dimension dieser Szene.

Kyle Ketelsen tönte als Escamillo gradeheraus, aber eine Spur zu leise. Aga Micolaj wäre mit einem stärkeren Willen zur Geschmeidigkeit gewiss die perfekte Micaela. Sehr erfreulich hat sich der junge Dirigent Dan Ettinger weiterentwickelt. Er schafft die Gratwanderung zwischen großer Oper und Kammerspiel. Mit unmissverständlichen Gesten macht er klar, was er hören will und bekommt es auch vom Staatsorchester und den Solisten.

So lässt sich das Repertoire zwischen den spektakulären Premieren gut aushalten.






 
 
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