Der Neue Merker, 09.02.2010
Udo Klebes
Humperdinck: "Königskinder", Zürich, Wiederaufnahme, ab 7. Februar 2010
„KÖNIGSKINDER“ 21.2.2010 – mit dem deutschen Tenor-König:
Humperdincks 1910 an renommierter Stätte und mit damals prominenter Besetzung uraufgeführte Märchenoper fristet ein kümmerliches Dasein im Spielplan der Opernhäuser. Bis heute ist das thematisch und musikalisch wertvolle Werk so unbekannt geblieben, dass selbst der derzeit begehrteste deutsche Tenor jonas kaufmann die 1100 Plätze des Zürcher Hauses an dieser für von auswärts Anreisende besonders praktisch liegenden Sonntag-Nachmittags-Vorstellung nicht ganz zu füllen vermochte. Akustisch und darstellerisch füllt er mit der Partie des Königssohnes, der aus den Fesseln seiner Herkunft ausgebrochen ist, um ein freies Leben führen zu können und in der Gänsemagd Gefährtin und Geliebte findet, indes den letzten Winkel des Opernhauses. In dessen doch intimem Rahmen fällt auf, wie enorm das Volumen und Tiefen-Fundament seines Tenors gewachsen ist, wie sich in heldisch breiten Phasen das für 2010/11 geplante Siegmund-Debut deutlich ankündigt, ohne die Leichtigkeit für lyrisch Kantables und bis ins Pianissimo Verfeinertes verloren zu haben. Für die beide Komponenten verlangende Partie des Königssohnes die idealen Voraussetzungen; und so erweckt Kaufmann den von den Erwachsenen unerkannt verjagten, von den Kindern dagegen als wahrer Königs(nachfolger) erahnten Thronanwärter zu einer gesunden Mischung aus beherzter Unbekümmertheit und seelenvoller Empfindsamkeit, spielt gewohnt locker, voller Natürlichkeit und Herz einen jungen Mann auf der Suche nach seiner Liebe anstatt familiären Zwängen, und stirbt nach dem Vertilgen vergifteten Kuchens zusammen mit der Gänsemagd einen unsentimentalen und gerade deshalb so berührenden Tod.

Als gefühlvolle Darstellerin und liebevoll phrasierende Vokalistin ist ihm isabel rey ebenbürtig, nur will der etwas herbe und bei kräftigerer Beanspruchung schnell ins Flackern geratende Sopran wenig zu dem natur-verbundenen Mädchen passen, das sich aus dem Bannkreis ihrer Großmutter (einer Hexe) befreit und zufällig zur bestimmten Stunde der Auserwählung des neuen Königs das Stadttor betritt.

Unter den weiteren Protagonisten wurde oliver widmer als Spielmann, der sich mit den Kindern auf Suche nach dem umherirrenden Königspaar macht, mit präzise ausdrucksvollem Vortrag und nicht immer ganz rund ansprechendem und trockenem Bariton mehr der funktionellen Bedeutung als dem klanglichen Anspruch seiner Rolle gerecht. reinhard mayr war der stimmlich und als Figur passend robust-rustikale Holzhacker, und boguslaw bidzinski der mit klarem und charaktervollem Tenor passend kontrastierende Besenbinder. liliana nikiteanu als Hexe und anja schlosser als Wirtstochter sorgten mit Hilfe ihrer deftigen Mezzos für auf den Punkt gebrachte Rollenportraits als Hexe bzw. Wirtstochter. Als weitere Solo-Beteiligte vervollständigten mehr oder weniger rollen-deckend wiebke lehmkuhl (Stallmagd), tomasz slawinski (Wirt), miroslav christoff (Schneider), kai florian bischoff (Ratsältester) und die bewegend innig um das verkannte Königspaar trauernde stephanie ritz (Wirtstöchterlein). chor- und kinderchor des opernhauses zürich wurden von ingo metzmacher mit großer Übersicht in den Ablauf integriert, wobei das orchester des opernhauses zürich die Partitur mit viel Herz und Sinn für die Kostbarkeiten der von Wagner beeinflussten und doch eigenständige Wege suchenden Komposition entfaltete und deren Stimmungsteppich auf höchstem Niveau ausbreitete.

Die 2007 von jens daniel herzog entworfene und jetzt für fünf Vorstellungen wieder auf- genommene Inszenierung hat ihre Meriten vor allem in der stringenten und mitteilsamen Personenregie, während das in einen unserer Zeit angenäherten uncharmanten Einheitsbühnenraum aus Pflanzen-Laboratorium und Sport-Vereinshalle übersetzte Konzept (Bühne und Kostüme: mathis neidhardt ) bei aller Aktualität der zentralen Botschaft vom Streben nach einer besseren Gesellschaft doch hin und wieder mit dem übertitelten Text in Konflikt gerät und zusammen mit den teils verständlichen modernen Märchensymbolen insgesamt etwas erzwungen wirkt. Jubel in erster Linie für den Königssohn.






 
 
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