Tages-Anzeiger, 26.05.09
Anna Kardos
Liedermatinée, Zürich, 24. Mai 2009
Jonas Kaufmann
 
Zürich, Opernhaus. - Venedig hat seinen berühmten Kaufmann, und Zürich ist auf dem besten Weg, einen zu haben. Der hiesige heisst mit Vornamen Jonas und ist von Beruf Sänger.

Streng genommen ist er auch kein Zürcher (sondern Bayer), aber das interessiert spätestens, wenn Kaufmann singt, sowieso keinen mehr. Denn der Tenor schafft es, die Zuhörer zu verzaubern. Wie in Schuberts Ballade «Die Bürgschaft», mit der er seine Liedermatinee eröffnete, und sogar mehr noch im Liederzyklus «Dichterliebe» von Robert Schumann. Ganz zart war diese gesungen und wirkte gleichzeitig unglaublich intensiv. Das Publikum liess sich entzückt forttragen zu Stimmungen voll rauschenden Gefühls, auch Resignation oder innigsten Sehnens.

«Gefühlszauberei » war aber mitnichten Kaufmanns einzige Stärke. Auch das Jonglieren mit Farbtönen beherrschte er, und trotz aller Vielfalt verlor seine makellose Technik kaum je an Eleganz. In Letzterem, wie auch hinsichtlich der Perfektion, kam ihm sein Begleiter Helmut Deutsch gleich. Bis aufs i-Tüpfelchen ausgefeilt war denn auch das Zusammenspiel der beiden und dabei von einer Selbstverständlichkeit, als erachteten sie es als kaum der Rede wert.

Mit Richard Strauss kam nach der Pause ein Komponist zum Zug, den ausser den gemeinsamen Initialen nicht allzu viel mit Robert Schumann verbindet. Strauss’ Lieder (unter anderen op. 21 und op. 27) sind für Konzertsaal geschrieben; das ehedem Zarte bei Schumann weicht hier der grossen Geste, und die Gefühle tragen eine Schicht Theaterschminke. Doch auch diese stand Jonas Kaufmann gut zu Gesicht. Nun spielte er, was die Bühnenbretter hielten, und liess seine Stimme grossartig strömen. Der ironisierende Humor, der ihn dabei umgab (wie auch schon die kluge Textbehandlung bei Schumann), strafte das leiseste Klischee von schön singenden, aber dümmlichen Tenören Lügen.

Ist Jonas Kaufmann auch nicht ganz so berühmt wie Shakespeares Kaufmann von Venedig, verliess er dafür die Bühne ungleich ruhmvoller, nämlich unter Jubelstürmen und tosendem Applaus.
 






 
 
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