Der Neue Merker
DZ
La traviata, München, 15. Juni 2009
MÜNCHEN: Bayerische Staatsoper – „LA TRAVIATA“ 15. 6. 2009– Aus der Traum?
 
Jedenfalls was die „traumhafte Gheorghiu“ betraf (siehe Bericht vom 9.6./Traumhafte „LA TRAVIATA“ mit Gheorghiu und Kaufmann), denn gleich nach dieser tollen Aufführung sagte La Gheorghiu die beiden anderen Termine ab und Anja Harteros wurde avisiert, die sich derzeit ohnehin zu Lohengrin-Proben in München befindet. Doch auch sie (inzwischen bedauerlicherweise als ziemlich absagefreudig bekannt) warf das Handtuch am Tag der 2. Aufführung (12.6.) und kurzfristig sprang die Griechin Myrtò Papatanasiu ein.

Für die 3. Vorstellung am 15.9. hatte man die in Leipzig engagierte Amerikanerin Elaine Alvarez herbei geholt, bei deren Ankündigung vor dem Vorhang Intendant Bachler doch ein bisschen heftig ins Vorschusslorbeeren-Töpfchen gegriffen hatte, von wegen, eine „aufregende Karriere“ stehe ihr sicherlich bevor. Dass die junge Sängerin mächtig nervös war, mochte man ihr anfangs sicherlich zu Gute halten, dann jedoch wurden ihre Stärken und Schwächen immer klarer. Ihr Plus: Sie hat eine große, leicht metallische Stimme, in der Mittellage von durchaus interessantem Timbre. Dass sie in den Tiefen verhauchend versandet, wäre gar nicht so schlimm, jedoch hat sie eklatante Mängel im Höhenregister. Dort klingen viele Töne sirenenartig angeheult, was einen doch das eine oder andere Mal gehörig aufschreckt. Zudem ist Frau Alvarez’ Intonation nicht die reinste. Auch schauspielerisch macht sie’s häufig so, wie man’s eben nicht machen sollte. Erst zum Schluss konnte sie einiges herausreißen. Resümee: Wieder so eine halbfertige Jungsopranistin, der man die Zeit zur Vervollkommnung wünschen möchte, damit das mit der „aufregenden Karriere“ eventuell Wirklichkeit werden kann. Der ihr zuteil gewordene, übertrieben große Beifall könnte sie jedoch zur Selbsttäuschung verleiten.

Wie schon bei der letzten Traviata-Serie im Dezember, als sich Piotr Beczala und Željko Lučić mit drei verschiedenen Damen arrangieren mussten, nachdem sich die Harteros nach der ersten Aufführung verabschiedet hatte, mussten sich nun der nach wie vor traumhafte Jonas Kaufmann und der wiedererstarkte Simon Keenlyside mit wechselnden Partnerinnen abfinden. Und so war der romantische Zauber, der das Paar Gheorghiu-Kaufmann umweht hatte, hier eben nicht realisierbar, wenngleich sich Kaufmann ehrlich bemühte. Bezüglich seines Ausnahmetenors gibt’s ja derzeit nur eines: Genießen!

Und der Germont liegt ihm doch, könnte man sagen, denn der am 9. so unerwartet und ungewohnt schwächelnde Simon Keenlyside war plötzlich wie verwandelt, bzw. so, wie man ihn normalerweise kennt: stimmlich nun wieder aus dem Vollen schöpfend, so voll, dass man sich bei „Di provenza“ schon wieder die Stilfrage stellen durfte, ob man diese Arie denn dermaßen hinauspowern sollte; darstellerisch höchst aktiv und mächtig autoritär, so autoritär, dass er die Dirigentin mit einbezog und sich bei der Stretta einen Teufel um selbige scherte, sie hatte sich gefälligst seinem Tempo anzupassen... – Das hatte schon was für sich, denn die sehr solide und umsichtige Keri-Lynn Wilson neigt doch ab und an zu etwas arg gedehnten Tempi; gerade die Einspringerin hätte hier das eine oder andere Mal durchaus einen etwas festeren Zügel vertragen können.

Ein offenbar bereits auf Festspiele eingestelltes Publikum (Abendroben im Theater und viele auswärtige Autokennzeichen in der Tiefgarage) gab sich beifallstechnisch äußerst spendierfreudig.

Bemerkung am Rande: Die Klimaanlage des Nationaltheaters ist entweder defekt oder wird nachlässig bedient, denn die seit längerer Zeit herrschenden klimatischen Verhältnisse im Zuschauerraum sind bei einem Theater dieser Rangordnung einfach nicht tragbar.
Als regelmäßiger Dauerbesucher weiß man, dass das nicht immer so war. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Einige Besucher suchten zwecks Reklamationen in den Pausen bereits das Hausverwaltungsbüro in der Käferhalle auf.
DZ

Ergänzend (siehe Forum):
Angela Gheorghiu hat am 9.6. in der Tat eigene Kostüme getragen, die ganz gut in die Inszenierung passten. Auffällig dabei, dass die Dekolletés weitaus tiefer waren als bei den Originalen...
Foto: Opernglas






 
 
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