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Der Neue Merker, 10. Mai 2009 |
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Puccini: Tosca, Wien, 9. Mai 2010
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Tosca |
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Bericht 1: |
WIENER STAATSOPER: TOSCA am 9. Mai 2009
„Im schönen Monat Mai.....“ große Lobeshymnen im Voraus für den neuen
Supertenor Jonas Kaufmann. Nach der Manon gab es zumeist sehr Positives,
wenn man Läuse suchen will auch weniger Schönes zu lesen.
Ich suche auch gerne Läuse, ich konnte keine einzige finden, nicht einmal
Nissenreste. Wer so viel Vorschußlorbeeren erntet, erweckt meine Skepsis.
Ich besuchte diese Vorstellung sogar mit dem Vorsatz, nach dem 2. Akt,
wenn’s mir nicht gefällt, zu gehen. Das wäre aber, nachträglich betrachtet,
eine Blödheit gewesen.
Jonas Kaufmann als Mario Cavaradossi ist eigentlich nach der letzten Serie
mit Cura vergleichsweise eine Sensation, aber nur darauf zu spekulieren, ist
eigentlich dem Sänger gegenüber eine Unverschämtheit. Er sang diese Rolle
nicht so sehr als Revoluzzer, sondern eher als verträumter Künstler, mit
einer ebensolchen liiert und vielleicht durch seine leichte Großmauligkeit
tatsächlich in die Politik verstrickt. Er singt ein perfekt verständliches
Italienisch, das auch sprachlich gut klingt, womit mit der Italianita in der
Stimmführung auch kein Problem zu hören ist. Die Pianokultur, die „dolci“
für die feinen Phrasen im Liebesduett im ersten Akt sowie im dritten, sind
so schön wie selten gehört. Auch die beiden Arien sind so ausphrasiert wie
selten. Aber auch die Dramatik kam nicht zu kurz. Sowohl „La vita mi…” im
ersten Akt als das „Vittoria... „ kam excellent im zweiten Akt.. Am meisten
freute mich im dritten Akt, dass er das „E lucevan ...“ zum größten Teil im
wunderbaren piano – mezzavoce sang , ins forte ging und kein blödes
„Portamento“ ohne Ende darauf schmiss, sondern schlicht zu Ende sang. BRAVO.
Für ihn ein toller Applaus mit viel Bravi, ohne hysterischen Cliquegetue wie
bei schon zuvor Genannten.
Als Scarpia gab es nach vielen Jahren ein erfreuliches Wiederhören- und
sehen mit Ruggero Raimondi. So kräftig wie früher geht es nun nicht mehr,
aber in der Gestaltung ist er profunder, etwas böser, dieser Machtmensch
Scarpia. Stimmlich ist Raimondi aber immer noch stilistisch und
werkgetreuest vorhanden. Was mich persönlich sehr freut: das 2. Akt-Kostüm
für Scarpia ist nicht umgebracht. Raimondi hatte es an. Also wer wollte sich
nicht umziehen, etc.?
Ihr Hausdebüt in der Titelrolle hatte Catherine Naglestad, wer sie nicht
hörte, hat nichts Wesentliches versäumt. In deutschen Häusern wird sie als
Star gehandelt, was gibt’s dort sonst? Stare sind nette Vögel, aber sicher
meint man Stern. Wie sagte schon Toscanini zu einer Sängerin, „Sterne gibt’s
am Himmel, sie aber sind ...“. Nun keine schlechte Stimme, stört nicht, in
der Höhe manchmal etwas schrill, in kleineren Theatern sicher etwas weniger,
darstellerisch nahezu auf 1000% und das sind einfach zuviel. Ohne Outrage
ist es besser. Dass sie Scarpia abgestochen hat wie einen Vergewaltiger, war
super , das passt auch, so kannte ich davor nur Raina Kabaiwanska (aber die
war im Gesamten besser). Die Arie war schön gestaltet, aber in so manchen
Phrasen sind wir Anderes gewöhnt, vielleicht sogar verwöhnt
Clemens Unterreiner debütierte als Cesare Angelotti und übertrieb
darstellerisch maßlos. Das kann sich bessern. Gesungen hat er ausgezeichnet,
vielleicht lässt er sich vom Maskenbildner auch etwas dreckig machen, dann
könnte es ohne Föhnwelle eine tolle Gestaltung werden. Weil so gestylt kommt
man nicht aus heutigen Gefängnissen, speziell wenn man abhaut!!!!
Alfred Sramek ist schönstimmig zurück, war wieder der schrullige Mesner,
schon fast ein wenig zu symphatisch. Spoletta ist eine der besten Rollen von
Alexander Kaimbacher. Als Sciarrone war Marcus Pelz zu hören und Dan Paul
Dumitrescu wird auf Rollen wie Schließer degradiert. Das falsch singende
Kind aus der Opernschule war der Hirt.
Wie immer klang der Chor klangschön, trotz einer Differenz mit dem Maestro
beim ersten Priestereinsatz im Te Deum.
Pier Giorgio Morandi hatte sonst alles im Griff und ging gut auf die Sänger
ein.
Dass die Bühne immer leerer wird, könnte sich doch durch eine Initiative des
AMS ändern ? Hängen doch so viele Kostüme für Komparserie im Fundus. Die
rechte - linke Bühnenhälfte, vom Zuschauerraum gesehen rechts , ist nahezu
nicht bespielt, weil der Chor gegenübersteht, um den Dirigenten zu sehen.
Die andere Seite ist musikalisch weiter hinten nicht einsehbar. Da gab es
Volk der stummen Sorte. Nun ist es dort leer, die heutige Situation der
kath. Kirche?
Elena Habermann |
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Bericht 2: |
Wiener Staatsoper 9. 5. 2009 „TOSCA“ - Der
Schöne und das Biest
Der schöne Senkrechtstarter, heutzutage ja als Shooting-Star affimiert,
gegen den dämonischen Routinier, der wohlgestaltete Tenor mit dem
edel-männlichen Timbre gegen den in allen Bösewichterollen gestählten Bass:
so war die gestrige Repertoirevorstellung der Tosca geprägt, in der zwischen
diesen beiden Sängern auch eine äußerst passable Titelrollenträgerin
agierte. Und, um es gleich vorweg zu nehmen, das Publikum ließ sich von den
Leistungen bzw. deren theatralischer Wirkung überzeugen und applaudierte und
jubelte entsprechend.
Jonas Kaufmann war der Bilderbuch-Tenor, mit seiner schlanken Erscheinung
und den etwas abgezirkelten Bewegungen entfernt an Franco Corelli erinnernd,
und sang seinen ersten Cavaradossi am Haus, mit einer in den Höhen
wirkungsvoll aufgehenden, metallisch-herb gefärbten Stimme. Sein „La vita mi
costasse“ und sein „Vittoria“, glänzten beachtlich, eine ausgezeichnete
Phrasierung und lupenreine Diktion ließen ihn fast als echten Italiener
erscheinen, wäre da nicht dieses Manko an Fülle und Schmelz in den tieferen
Regionen, seine Neigung zu übermäßigem Pianosingen, die leider auch vom
Dirigenten aus zu wenig Unterstützung fand. Trotz der Einwände ein
überzeugendes Rollendebüt.
Heuer werden es vierzig Jahre, dass Ruggero Raimondi an der Staatsoper zum
ersten Mal auftrat. In sechzehn Partien und mehr als 140 Vorstellungen
überzeugte er mit seinem beachtlichen sängerischen und schauspielerischen
Können. Nun, gegen Ende seines siebenten Lebensjahrzehnts ist die stimmliche
Substanz schon etwas fahler geworden, aber sein Scarpia überzeugt in jeder
Geste und jeder Phrase nach wie vor, vor allem fehlt der konzentriert
eingesetzten und noch immer durchschlagskräftigen Stimme gänzlich jener
„Waber“ (auf gut Wienerisch für Tremolo, einst auch „Quintenschaukel“
genannt), wie er bei älteren Bassisten oft so störend zu hören ist. Und mit
der orchestralen Klangflut im Te Deum hatten schon wesentlich jüngere Sänger
ihre liebe Not.
Das zweite überzeugende Rollendebüt stellte an diesem Abend Catherine
Naglestad auf die Bühne, wobei im Auftreten die hilflose Liebende gegenüber
der überlegenen Diva den Vorrang hatte. Ihr musikalischer Vortrag schwankt
zwischen Innigkeit im so genannten Gebet und beachtlichem Affekt. Die Stimme
ist genügend groß, tragfähig und im Timbre angenehm, sie bringt das hohe C
im letzten Akt mühelos und legt eine beachtliche Schlussszene hin, einen
Hysterieausbruch vor der Leiche ihres Liebhabers, der unter die Haut geht.
So wie er bei der Flucht in die Kirche spektakulär zu Boden fällt, mit einem
Übermaß an Darstellung seine Rolle aufwertet: das kann nur Clemens
Unterreiner als Angelotti sein, der auch gesanglich einiges zeigt. Alexander
Kaimbacher hingegen, zeigt in der Rolle des Spoletta dessen ganze
schurkische Abgefeimtheit aber auch die ungeheure Angst vor Versagen als
Diener des Bösen und bringt das auch gesanglich gut über die Rampe. Alfred
Sramek braucht keine Tricks, er ist ganz einfach der subalterne Mesner, auch
gesanglich wieder beachtlich. Dan Paul Dumitrescu und Marcus Pelz ergänzten
verlässlich als Schließer und Sciarrone.
Solide und kompetent begleitete Pier Giorgio Morandi mit dem
Staatsopernorchester das Geschehen, für eine Repertoireaufführung gut, für
eine Spitzenaufführung fehlte es an nötigem „Mitatmen“ mit den Sängern, aber
es ist ja allgemein bekannt, wie es um die Probenmöglichkeiten inklusive
Orchester im Alltag in der Staatsoper bestellt ist.
Zuletzt gab es enormen Jubel um die beiden Hauptdarsteller, während Raimondi
schon nach dem zweiten Akt seinen verdienten Solovorhang mit vielen Bravos
bekam.
Peter SKOREPA |
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Bericht 3: |
Man kauft ein Programm oder einen Theaterzettel,
und darauf stehen berühmte Namen. Das ist die so genannte „Papierform“, an
die sich Erwartungen knüpfen. Aber Oper ist live, das macht die Sache ja
auch spannender als die DVD, und die Realität hält gelegentlich mit den
Vorgaben nicht Schritt.
Jonas Kaufmann sang nach dem Des Grieux nun seinen ersten Cavaradossi an der
Staatsoper, und bei Puccini muss ein Tenor schon seine Karten auf den Tisch
legen. Bei ihm liest man darin (bzw. hört es), dass er sich im Grunde nur in
der hohen Mittellage und in der Höhe wohl fühlt. Das ist bei dieser
Stimmlage natürlich kein Fehler, wenn man um das „Vittoria“ nicht bangen
muss (abgesehen davon, dass er es angeschliffen hat), aber es ist beileibe
nicht alles. Kaufmann hat eine mal gutturale, mal nasale Mittellage, die
immer zu leise klingt und sich nicht öffnet. Daraus versucht er sich, mit
allerlei technischen – na, nennen wir’s freundlicherweise Finessen zu
retten. Mit dem Ergebnis, dass er beispielsweise seine zweite Arie völlig
zerfasert hat, keine einzige Phrase auf Puccini-Linie gesungen. Aber was
soll’s? Das Publikum jubelte. Und er machte ja auch beste Figur als
Erscheinung und ist ein intelligenter, begabter Schauspieler. Allein, wie
dieser Cavaradossi zu verstehen gab, wie sehr die gute Tosca ihn im ersten
Akt nervt…
Der zweite große Name: Ruggero Raimondi. Unser unvergesslicher Don Giovanni,
Philipp, Mephisto, Guardian, Hoffmann-Bösewichte und vieles mehr. Man hat
ihn längere Zeit nicht gehört. Sein Alter (67 laut Wikipedia) sieht man ihm
nicht an. Noch immer dasselbe markige Gesicht, die elegante Erscheinung, der
Hauch von Dämonie, der ihn stets umwittert. Der ideale Scarpia – früher
einmal. Denn die Stimme ist nur noch ein Abklatsch von einst, gehalten von
Technik und Erfahrung. Die Kraft, Kraft, Kraft, die jeder Scarpia haben
muss, hat ihn Puccini doch mehrfach gegen ein Fortissimo-Orchester
aufgestellt, fehlt. Ruggero Raimondi singt gegen ein großes Vorbild an –
gegen sich selbst. Aber die Wiener sind ja bekannt dafür, auch der
Vergangenheit zu klatschen (und vielleicht ist das ja auch ein liebenswerter
Zug dieses Publikums). Man war ja auch zu Samuel Ramey freundlich, als
dieser letzten Dezember den Scarpia sang und sich das analoge Problem
stellte.
In der Titelrolle debutierte Catherine Naglestad in Wien, skandinavische
Amerikanerin, heuer im Sommer eine der Aidas der Bregenzer Seebühne,
nebenbei der ausgewiesene Star von Stuttgart. Als Tosca fegt sie wie eine
Hexe auf die Bühne. Nun ist diese Hysterie sicher ein Teil der Rolle, aber
nicht der einzige. Bei der Naglestad (die gleich dreimal wie eine Rasende
auf Scarpia einsticht) sah man wenig anderes, hörte auch wenig anderes bei
einer Stimme, die Wärme und Schönheit vermissen ließ.
Die Kleindarsteller waren wieder stark präsent. Eine "Tosca" ohne Alfred
Sramek ist für Opernfreunde heutzutage nicht denkbar, sind wir froh, dass er
mit seiner besonderen Vis Comica wieder da ist. Clemens Unterreiner stürmt
voran, eroberte nun den Angelotti, Alexander Kaimbacher war als Scarpias
tückischer Helfershelfer Spoletta voll da, kann auch richtig schön stimmlich
geifern. Ein freundlicher Schließer: Dan Paul Dumitrescu, als Sciarrone
Marcus Pelz, ein wackliges Opernschule-Kind als Hrte.
Am Pult stand Pier Giorgio Morandi, das war ordentliches Repertoire, und auf
wessen Konto hörbare Ungenauigkeiten von Jonas Kaufmann gingen, will man
nicht entscheiden und ist ja auch nicht so wichtig. Oper ist live.
Renate Wagner |
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