Der Standard, 10. Mai 2009
Ljubisa Tosic
Puccini: Tosca, Wien, 9. Mai 2010
"Orchesteroper" als Hindernis für Sänger
"Tosca" mit Jonas Kaufmann
Wien - Es ist dieser Mai ein Monat, in dem die Wiener Staatsoper zur Hochform aufläuft - als wollte sie auch jenen Trost spenden, die sich vom absehbar mageren Opernprogramm der Wiener Festwochen unterfordert fühlen dürften: Mit Rheingold hat man unlängst den Ring vollendet und die Tetralogie sodann gleich zu ihrem ersten vollständigen Durchlauf ausgeschickt (ab 16. Mai beginnt der zweite) - zwischendurch hatte man Anna Netrebko im Angebot. Und wenn Rolando Villazon ausfällt, ist mit Ramon Vargas mindestens ein gleichwertiger Tenor-Ersatz gefunden, um Elina Garanca bei Werther (ab 20. Mai) den Hof zu machen. Zudem lockt noch ein Neuling der ersten Tenorliga, Jonas Kaufmann, durch seine Teilnahme an Liebesdramen. Zuerst bei Manon; nun bei Puccinis Tosca.

Es ist dies eine Vielfalt, die man durchaus als Vorzug des hiesigen Repertoiresystems sehen könnte. Es wäre aber nicht selbiges System, würde es nicht in seinen guten Monaten auch seine Schwäche offenbaren. Denn schafft man es in Wien nahezu jeden Sänger zu engagieren, so gelingt das Kunststück, zum guten Vokalisten auch einen adäquaten Dirigenten hinzu zu verpflichten, wahrlich selten.

So mag man nach diesem Tosca-Abend den Routinier Pier Giorgio Morandi für die signifikant vielen Buhs bedauert haben. Widersprechen konnte man ihnen nicht. Zumindest an diesem Abend schien sich der Dirigent (besonders im ersten Akt) in einer Art impulsiver "Orchesteroper" gewähnt zu haben, in der die akustischen Vorgänge auf der Bühne mit einer imposanten Instrumentalmauer zu fighten hatten.

Wenn man wie Staatsoperndebütantin Catherine Naglestad (als Tosca) ihre Stärken vor allem in herb tönenden Dramatischen hat, kommt man irgendwie über Runden. Und Veteran Ruggero Raimondi (als Scarpia) profitierte davon, dass sein Hauptauftritt im 2. Akt anfällt, und es dort weitaus mehr Orchesterrücksicht gab.

Kaufmann jedoch, mit seinem kostbar-weichen Timbre, suchte zunächst vergebens, mit dezenten Lyrismen zu glänzen. Und wenngleich er letztlich bei hohen Tönen seine Qualitäten entfalten konnte und in der Schlussarie die Sterne zahlreich blitzen ließ, blieb in Summe eine gewisse Unsicherheit in Erinnerung, die man auf die Hindernisse zurückführen wollte, welche sich im Orchestergraben zu oft aufgebaut hatten. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD/Printausgabe, 11.05.2009)






 
 
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