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Badische Zeitung, 26.1.2009 |
Alexander Dick |
Strauss: Rosenkavalier, Baden-Baden, 25. Januar 2009
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"Rosenkavalier" der Weltstars
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Weltstars auf der Bühne und im
Orchestergraben und Herbert Wernickes recycelte Inszenierung von den
Salzburger Festspielen: Zum Ereignis wurde "Der Rosenkavalier" zur Eröffnung
der Baden-Badener Winterfestspiele allemal. Am Pult: Christian Thielemann. |
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"Die Zeit im Grunde, Quinquin, die Zeit, die
ändert doch nichts an den Sachen." Lässt Hugo von Hofmannsthal die
Marschallin im ersten Akt seines "Rosenkavalier" sagen. Da hat die
32-Jährige, verheiratete dame d’honneur gerade eine Liebesnacht mit ihrem um
15 Jahre jüngeren Cousin Octavian, genannt Quinquin, verbracht und beginnt
in den Rückspiegel zu schauen: "In den Gesichtern rieselt sie, im Spiegel da
rieselt sie". Ja, "die Zeit ist ein sonderbar Ding".
Geht es der Baden-Badener Festspielhausleitung wie der Marschallin? Was
bedeutet dies "sonderbar Ding" schon im Hinblick auf Inszenierungen? Sieht
man sie "fließen – unaufhaltsam" auf den Bühnen? Eher nicht. Wenn Intendant
Andreas Mölich-Zebhauser für den Auftakt der diesjährigen Winterfestspiele
jene "Rosenkavalier"-Inszenierung von 1995 reanimieren ließ, die Herbert
Wernicke seinerzeit für die Salzburger Festspiele und, ein Jahr später, die
Pariser Oper geschaffen hatte, richtet sich der Blick, trotz unterbrochenen
Flusses, vor allem auf den musikalischen Part. Denn, da sind sich auch
Kritiker einig: Eine solche Besetzung bietet selbst Salzburg heute kaum
noch, und vielleicht war das schon so etwas wie die Musiktheater-Produktion
des Jahres. Der heftige Andrang auf die Karten für die drei
Musiktheaterabende lässt solches mutmaßen. Die musikalische Interpretation
erst recht.
Es ist zuvörderst der "Rosenkavalier" des Christian Thielemann und seiner
Münchner Philharmoniker. Als Thielemann mit dem Stück in seiner Heimatstadt
debütierte, hatte man noch moniert, dem Berliner Thielemann sei der Walzer
als das bestimmende musikalische Moment des "Rosenkavalier" zu fremd. Das
ist kaum noch nachvollziehbar. Was da an instrumentalen Raffinessen aus dem
Orchestergraben dringt, ist delikat und lässt erkennen, wie sehr diese kurz
vor dem ersten Weltkrieg entstandene Musik zwischen den Zeiten steht. Bei
allen (münchnerischen!) Derbheiten, die Richard Strauss in seinen
"Rosenkavalier" komponiert hat: Die eigentliche Sprache dieses Stücks ist
die Melancholie – und sie arbeiten Thielemann und das phänomenal
aufgestellte Orchester mit Bravour heraus. Mit silbernem Streicherglanz, mit
virtuos parlierenden Holzbläsern und deftigem Hörnerklang erwächst da eine
Interpretation, die in ihren klugen Rubati und Zäsuren alle Nachdenklichkeit
dieser Musik hörbar macht und mit der sich Christian Thielemann nahtlos in
die Phalanx der großen "Rosenkavalier"-Interpreten einreiht – von Karl Böhm
bis Carlos Kleiber.
Das Aufgebot an Weltstars tut das seinige dazu, allen voran vielleicht
Sophie Koch mit ihrer phänomenalen Gestaltung der Octavian-Partie: präzise
in der Diktion, von hinreißender Verständlichkeit und mit lyrischen
Färbungen, die dem "Lausbuben" Quinquin einen so vielschichtigen Charakter
verleihen. Hinreißend ist auch Diana Damraus Sophie, mit überirdisch schönen
Höhen und all dem stimmlichen Liebreiz, nach dem diese Partie verlangt.
Renée Fleming als dritter Stern in dieser Frauen-Trias singt eine
bemerkenswerte Marschallin, die über ausreichend herbstliche Stimmreife für
diese so vielschichtige Figur verfügt. Dennoch ist es nicht die ganz große
gestalterische Interpretation, vor allem, weil Flemings Artikulation
verbesserungsfähig wäre und es ihr nicht immer gelingt, langen Phrasen die
notwendige Spannung angedeihen zu lassen. Als Baron Ochs in Lederhosen und
Gamsbart poltert Franz Hawlata komödiantisch-bajuwarisch über die Bühne,
doch auch wenn er technisch über das tiefe E verfügt – ein wenig matt klingt
sein Bass nicht selten an diesem Abend. Bewundernswert dagegen Franz
Grundhebers Faninal. Mit 71 Jahren zeigt dieser vielseitige Bariton keine
Spur von Ermüdungserscheinungen. Und das schließlich ist Luxus: die
kleine Rolle des Sängers mit einem Weltstar wie Jonas Kaufmann zu besetzen.
Es garantiert Beifallsstürme, auch wenn etwas beckmesserisch angemerkt sei –
die Idealbesetzung für eine solche lyrische Partie ist der dunkel timbrierte
Tenor mit Avancen ins Heldenfach nicht. Wenigstens akustisch.
Bei Herbert Wernicke war der Tenorauftritt seinerzeit als Pavarotti-Parodie
erdacht, das funktioniert mit Kaufmann und nach zwölf Jahren nicht mehr.
Trotzdem ist der Abend szenisch nicht verloren. Angesichts der
Ahnungslosigkeit, die manche Jungregisseure heute auf den Opernbühnen
verbreiten, ist selbst eine eher durchschnittliche Inszenierung des 2002
verstorbenen Regiemeisters aus dem Markgräfler Land noch immer eine
szenische Bereicherung. Die Marschallin hat recht: Die Zeit, sie ändert
nichts an den Sachen. |
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