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Mittelbadische Presse,
27.01.2009 |
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Strauss: Rosenkavalier, Baden-Baden, 25. Januar 2009
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Irdisch oder eher galaktisch?
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Die Erwartung war hoch. Dirigent Christian
Thielemann hatte eine galaktische Besetzung, Intendant Andreas
Mölich-Zebhauser die beste »Rosenkavalier«-Inszenierung der Gegenwart
angekündigt. Wie außerirdisch war also die Premiere im Festspielhaus
Baden-Baden? |
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Baden-Baden. Die Inszenierung sah man erstmals
1995 in Salzburg. Herbert Wernicke, der 2002 starb, hatte opulent
inszeniert, viele Räume nebeneinander gebaut, dahinter riesige Spiegel,
darauf das größte Bett, die größte Rose; Diener, Köche, Ärzte – alles im
Dutzend und mehr. Das Dirigat von Lorin Maazel klang zackig und laut.
Salzburg feierte sich selbst in Cinemaskope.
Auch in Baden-Baden ist die Bühne groß, aber nicht ungewöhnlich breit. So
musste man die Räume stauchen, zerteilen, verschachteln, verkleinern. Man
sah eine Bühne, voll gestellt mit Kulissen, Spiegeln, Versatzstücken, Massen
an Statisten und Chören, sah viel szenischen, operettenhaften Klamauk und
sehnte sich irgendwie nach der Salzburger Eleganz und Leere. Was szenisch
also enttäuschte, war für die Sänger ein Gewinn. Sie beherrschten den Raum
und nicht umgekehrt.
Renée Fleming sang die Marschallin schlank und unterkühlt, Sophie Koch die
Hosenrolle des Oktavian mit jugendlichem Charme und Diana Damrau, 2008 zur
Opernsängerin des Jahres gekürt, die Sophie weich, fast zärtlich. Das Trio
war also ebenso prominent wie homogen besetzt, schlanke Stimmen, geschult an
Mozart.
Ochs auf Lerchenau gerät oft zur Karikatur. Aber Franz Hawlata, mit seinem
nicht sehr großen, warmen Bassbariton war nicht nur ein polternder Baron und
Schürzenjäger, sondern auch eine tragische, sich nach Liebe sehnende Figur.
Ein Bravourauftritt
Die Partie des italienischen Sängers ist sehr klein und sehr anspruchsvoll.
Da muss jeder Ton sitzen, da gibt es nichts zu korrigieren. Jonas Kaufmann
genoss diesen Bravourauftritt und ließ ihn sich gewiss fünfstellig *
vergolden. Luxus pur, unzeitgemäß, aber hinreißend. Diese Besetzung war
der Salzburger weit überlegen, höchstens vergleichbar mit der in Zürich 2004
(Nina Stemme als Marschallin, Vesselina Kasarova als Oktavian). Auf DVD wird
man das überprüfen können.
Auch für Christian Thielemann lag die Messlatte hoch. Es gibt wunderbare
Einspielungen mit Böhm, Karajan und vor allem Carlos Kleiber. Würde er, der
sein Etikett, ein sehr deutscher Dirigent zu sein, pflegt und hasst, den
»Rosenkavalier« mit Wagner oder Mozart würzen? Thielemann ist kein sich
genialisch gebender Maestro, sondern ein hart arbeitender, auch in der
Operette geschulter Kapellmeister, der sich und seinen Musikern nichts
schenkt. Bei den Proben korrigiert er hartnäckig, feilt an der Balance
zwischen Bühne und Orchester, an kleinsten Nuancen und Schattierungen,
zelebriert die Klangmassen ebenso wie das kaum Hörbare etwa in den
wunderbaren verschwebenden Aktschlüssen.
Ein (Kapell)-Meister der Genauigkeit, des Ausdrucks und der Dynamik. Und er
dirigierte seine Münchner Philharmoniker, die – und das war vielleicht die
größte Sensation – ihr Debüt als Opernorchester glänzend bestanden. Ein
Spitzenensemble mit ausgewogenen Stimmgruppen und brillianten Bläsern. »Der
Rosenkavalier« ist eine Komödie für Musik, wird oft mit Mozarts »Figaro«
verglichen. Thielemann würzte mit Operette, mied aber alles Süßliche
zugunsten des eher Derben. Musik eben nicht nur aus Wien, sondern auch aus
Garmisch-Partenkirchen. Das war Strauß würdig.
Am schönsten der Schluss: Nach dem tumultösen Abgang des Ochs, da ließ man
es richtig krachen, folgten das mit so großer Poesie von Hofmannsthal
gedichtete und von Strauß komponierte Terzett und Duett. Irrungen und
Wirrungen, Melancholie und Verzicht, Seufzen und Sehnen nach Liebesglück –
das alles klang traumverloren schön. Nun war man in der Galaxis angekommen.
Ausverkauft, stürmischer Beifall. *(ich glaube der Kritiker hat eine
etwas "galaktische" Vorstellung von dem was ein Sänger für eine Nebenrolle
bekommt) |
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