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Opernglas März 2009 |
J. M. Wienecke |
BADEN-BADEN, 25. Januar
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Der Rosenkavalier
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Der von Unitel und der Deutschen Grammophon für
die TV-Ausstrahlung zu Pfingsten und für DVD mitgeschnittene »Rosenkavalier«
im Festspielhaus Baden-Baden vereinte eine Top-Besetzung, wie sie das
Festspielhaus in dieser Exklusivität bisher noch nicht gesehen hat. Die
Krone gebührte Diana Damrau, die mit frei flutendem Kobratursopran das pure
Strauss-Glück vom Himmel zu holen schien. Ihr gelang einfach alles und auch
im Spiel vermochte sie rundum zu überzeugen. Sinnlicher, inniger und
ausdrucksstärker kann man die Sophie derzeit nicht besetzen. Sophie Koch
gelang mit wunderbar ausgeglichenem, höhensicher und bruchlos geführtem
Mezzo als Octavian die eigentliche Überraschung des Abends, und die frisch
von den Obama-Feiern aus den USA eingeflogene und umjubelte Renee Fleming
sorgte für Glanz und ein Quäntchen Glamour. Sie hat die Marschallin über
viele Jahre ruhen lassen, hatte die Partie aber noch mit dem
zwischenzeitlich verstorbenen Regisseur Herbert Wernicke selbst bei der
ersten Reprise seiner jetzt nach Baden-Baden geholten Salzburger
Inszenierung in Paris einstudiert. Die kühle Eleganz der auf das
Festspieljahr 1995 zurückgehenden Inszenierung verfehlte in der soliden
Reanimation durch Alejandro Stadler ihre Wirkung nicht. Wernicke hatte in
raffinierten Spiegelarrangements damals die Grundprinzipien der Telari-Bühne
aus der Renaissance-Zeit adaptiert.
Die Stimme der Fleming hat sich seitdem weiter entwickelt. Sie präsentiert
sich inzwischen „wissender“, differenziert im Vortrag weit stärker als
zuvor. Ihr Sopran verfügt dafür über mehr Farben, hat an Grundierung
zugelegt. Allerdings büßt sie an Strahlkraft und Tragfähigkeit gleichzeitig
ein wenig ein. Mit diesem Potenzial gelang ihr ein betont melancholisch
geprägtes Rollenbild, musikalisch und gestalterisch mit vielen wunderbaren
Momenten, die für sich sprachen (Zeitmonobog). Anderes wirkte mitunter ein
wenig selbstverliebt, fast artifiziell. Auch blieben Phrasen im Parlando
stecken, wo man sich mehr Substanz und Legato gewünscht hätte.
Nach den zwiespältigen Erfahrungen mit dem Bayreuther Sachs war man auf
Franz Hawlatas Ochs besonders gespannt. Das Ergebnis befriedigte zunächst
kaum. Erst nach und nach lief sein Bassbariton warm, konnte er sich dem
vorgelegten bemerkenswerten darstellerischen Niveau annähern. Frei von
überzogenen Klischees gab er den „skandalösen Herrn Baron“ betont
hemdsärmlig, dabei eher bayerisch krachledern denn mit Wiener Schmäh, zu
keiner Zeit aber in billiger Vorstadtmanier — ganz Kavalier eben. Jonas
Kaufmann entsprach zunächst stimmlich rein gar nicht dem Ideal für die
Partie des Sängers. Der männlich-dunkel grundierte Tenor des neuen
Szenelieblings ging zunächst nur wenig mit Strauss schwelgerischer Kantilene
zusammen, entwickelte erst im hohen Register jenen Glanz und Fokus, die für
die kurze Arie „Di rigori armato il seno“ zwingend erforderlich sind.
Wirksam wurde Kaufmann als im Blitzlichtgewitter umschwärmter, telegener
Medienstar inmitten des turbulenten Levers eigens neu in die Inszenierung
„eingebaut“. Schon 1995 hatte Wernicke mit einer Pavarotti-Parodie
gearbeitet. Die perfekte Alternativversion traf optisch voll ins Schwarze
und sicherte den intendierten Jubel.
Selten war der bundesweite und internationale Run auf eine Aufführungsserie
so groß, wurde ein Event schon im Vorfeld derart zum alles überragenden
Opernereignis des Winters stilisiert. Natürlich war es Christian Thielemann,
der den enormen Marktwert des Luxusunternehmens mit begründete. Der Münchner
Generalmusikdirektor gab sich alle Mühe beim Auszirkeln des Rezepts und
landete dabei manchen gelungenen Treffer: Der furiose Einstieg in die
aufwühlende, eruptive Liebesnacht—selten hörte man ihn so viril und
klangstark. Die Überreichung der silbernen Rose in innig strahlenden
Sphärenklängen von berückender Schönheit - ganz dem Glanz des Augenblicks
verpflichtet. Das Schlussterzett schließlich, samten grundiert -
unprätentiös in den Dienst der vereinten Luxusstimmen gestellt. Da stimmte
Vieles auf bestechendem Niveau. In der Summe überwältigten die guten Ansätze
freilich noch zu wenig. Die Spontaneität eines Carlos Kleiber, dessen aus
dem Bauch gesteuertes Musikantentum, das unverzichtbare Kolorit im
bayerisch-wienerischen Strauss-Konglomerat köchelten bei Thielemann in
Baden-Baden im ersten Anlauf noch auf mittlerer Flamme. Ohne aktuelle
Erfahrung im Graben, stellten sich die Münchner Philharmoniker der
ungewohnten Aufgabe fernab jeder Routine. Ein Vorteil, lobte Thielemann,
zeigten sich die ganz auf ihn eingeschworenen Musiker doch bis ins kleinste
Detail geradezu Iustvoll interessiert. Nichts blieb dem Zufall — oder
eingespielten Schlampereien — überlassen, manches dafür (Proben-)zeitbedingt
auf der Strecke. Der warme, erdige Grundton, den der Chef besonders liebt,
überzeugte. Das erfahrene Strauss-Orchester wusste seine Trümpfe mit satt
leuchtendem Streicherglanz und vorzüglich besetzten Solopulten auszuspielen
und gab dem musikalischen Glück schließlich breiten Raum. Thielemann zeigte
sich glücklich und ließ sich mit seinen Musikern, ganz im Dienste des
Kollektivs, abschließend auf offener Bühne stürmisch feiern. |
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