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Neues Deutschland |
Roberto Becker |
Strauss: Der Rosenkavalier, Baden-Baden, 25 January 2009
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Luxus pur. Betörend!
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Das Festspielhaus Baden-Baden
leistete sich einen »Rosenkavalier« der Superlative |
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Ist das Gerede über die Krise oder gar das Ende
der Oper eigentlich nicht doch falsch und eine Ausgeburt der Fantasie von
Sparkommissaren und Quotenjägern? Gibt es überhaupt noch Sänger, die
schwierige Partien in einer Referenzqualität bewältigen können, wie sie die
(oft stark »bearbeiteten«) CD- oder DVD-Aufnahmen dem Musikfreund
vorgaukeln? Gibt es überhaupt Intendanten, die nicht nur wissen, was auf der
Bühne und im Graben wirklich zusammenpasst, um ein Gesamtkunstwerk zustande
zu bringen, das überzeugt und überwältigt, und die obendrein auch noch das
Geld auftreiben, um sich zusammenzukaufen, was dafür nötig ist?
Wenn man in Baden-Baden im Festspielhaus sitzt und der Vorhang zum
»Rosenkavalier« des 2002 verstorbenen Regisseurs und Bühnenbildners Herbert
Wernicke aus dem Jahre 1995 aufgeht, wenn Christan Thielemann im Graben
steht und seine Münchner Philharmoniker dort an der musterhaft zügelnden
kurzen Leine hält und einen Glanz entfaltet, wie man ihn so betörend lange
nicht live vernehmen konnte; und wenn man dann feststellt, dass der
Programmzettel, der sich wie eine Wunschliste für Operngourmets liest, kein
Trugbild, sondern die pure Ankündigung dessen ist, was aufmarschiert – dann
kann man sämtliche Fragen mit einem erstaunten, ungebrochenen »Ja«
beantworten. Und der Kronzeuge für diese Antworten ist ausgerechnet der
»Rosenkavalier« aus dem Jahre 1911!
Obwohl der eigentlich eine schwere Kost im leichten Gewand ist. Mit einem
übereinandergeschichteten wienerischen Kunstdeutsch von Hugo von
Hofmannthal, das sich der simplen Wortverständlichkeit auf Anhieb über weite
Strecken beharrlich entzieht. Mit einer Frau, die einen Mann spielt, der
eine Frau spielt. Der obendrein als 17-jähriger Liebhaber von einer doppelt
so alten Geliebten auf eine etwa Gleichaltrige umschwenkt, deren Bräutigam
abserviert und dabei noch auf das Verständnis seiner Geliebten bauen kann.
Mit dem Klügsten, was man über das Älterwerden, beim Übergang von der frühen
zur reiferen Jugend, auf der Opernbühne erfahren kann. Aber auch mit derben
Späßen und feinem Humor. Mit einer erfundenen Zeit, die einen verführen
kann, wenn man sich auf sie einlässt. Und die sich dann plötzlich als
Gegenwart herausstellt.
Wenn dann aber US-Star Renée Fleming die Feldmarschallin, Sophie Koch den
Octavian und Diana Damrau die Sophie singen, verkörpern, ja für drei
betörende Akte lang sind, dann gerät diesen drei Ausnahmesängerinnen ihr
hochkompliziertes Terzett im dritten Aufzug in die Nähe eines Rauschmittels.
Wenn obendrein auch noch Franz Hawlata einen dosiert grobianischen Ochs,
Franz Grundheber den Herrn von Faninal, Jane Henschel die Intrigantin Annina
verkörpern und Jonas Kaufmann den Tenor in der Morgengesellschaft der
Marschallin gibt, dann ist das ein Stimm-Luxus, der derzeit auf keiner
anderen Bühne der Welt zusammenkommt. Wenn aber auch sonst alles stimmt, und
die Inszenierung, sowohl die, die auf dem Werk in seiner »puren« Gestalt
bestehen, wie auch jene, die einen Zugang von heute aus bevorzugen,
gleichermaßen zufriedenstellt, dann handelt es sich schlichtweg um eine
Sternstunde. Für Strauss, für die Stars auf der Bühne, für ihr Publikum und
für die Oper!
Herbert Wernicke hatte diesen Rosenkavalier 1995 auf die Riesenbühne des
großen Salzburger Festspielhauses gestellt und zwei Jahre später auf die
nicht minder gigantische Bühne der Opera Bastille verlegt. Schon damals mit
Renée Fleming als in jeder Hinsicht umwerfend attraktiver Marschallin. Für
Baden-Baden hat Intendant Andreas Mölich-Zebhauser die Spiegelelemente, die
die üppigen Räume vom Schlafzimmer über das Stadtpalais der Faninals (samt
gewaltiger Revuetreppe für die Überreichung der Silberrose) bis hin zum
Wirtshaus, in dem der Ochs narrisch gemacht wird und zum Prater in den die
Marschallin und Faninal am Ende melancholisch in ihren offenen Kutschen
entschwinden, neu bauen lassen. Dabei sind die Räume hier etwas weniger
ausladend, intimer, was ihrer Wirkung durchaus bekommt. Und wenn am Ende der
Pierrot mit dem schwarz angemalten Gesicht, den jungen Liebenden die
Silberrose aus den Händen nimmt und sie durch eine echte rote Rose ersetzt,
dann möchte man diesen Liebestraum, den die beiden gerade träumen, einen
wunderbaren Augenblick lang sogar für möglich halten!
Das Festspielhaus in Baden-Baden hat jedenfalls mit der wunderbaren
Wiederauferstehung dieser Salzburger Produktion einen Operntraum wahr
gemacht. Man kann ihn demnächst mit der mitgeschnittenen DVD noch einmal
träumen. Und vielleicht träumt ja der Intendant in Baden-Baden von einem
Wechsel nach Salzburg? Wer weiß. |
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