Stuttgarter Nachrichten, 28. Januar 2009
Susanne Benda
Strauss: Rosenkavalier, Baden-Baden, Januar 2009
In dem Wie liegt der ganze Unterschied
Wernickes berühmte Inszenierung zu Gast in Baden-Baden
Musiktheater ist ein feines Netz, das leicht zerreißt. Zarte Fäden verbinden Text und Musik, Klänge und Bilder, Handlungen und Bühne, Gesungenes und Instrumentales, Licht und Raum, Individuen mit Kollektiven. Versagt nur ein Element in diesem vielfältig verwobenen Kommunikationsgeflecht, dann stirbt die Oper - so wie im ersten Akt von Richard Strauss' Oper "Der Rosenkavalier" am Mittwochabend in Baden-Baden.Der Beginn der Inszenierung, die der Regisseur Herbert Wernicke (1946-2002) im Jahr 1995 für die Salzburger Festspiele entwarf, gleicht bei seiner Wiederbelebung im Festspielhaus einer leblosen Theaterruine. Dass diese vokal üppig dekoriert ist, tröstet nur wenig, denn mit Ausnahme von Jonas Kaufmann, der - welch ein Luxus! - die kleine Partie des italienischen Tenors mit Kunst, Inbrunst und hübscher Selbstironie versieht, glänzt hier wenig. Sowohl Renée Fleming als Marschallin als auch Franz Hawlata als Ochs haben vor allem mit dem im ersten Akt geforderten Konversationston größte Probleme. An dieser Misere trägt Christian Thielemann am Pult seiner hörbar Opern-unerfahrenen Münchner Philharmoniker mit Schuld: Er treibt dem "Rosenkavalier" nicht nur mit sehr raschen Tempi alle Sentimentalitäten aus, sondern hat zudem die heikle Balance der Klangfarben und Lautstärkegrade zwischen Bühne und Orchestergraben zunächst überhaupt nicht im Griff.

Doch dann schiebt sich im zweiten Akt die schillernd-vielgliedrige Spiegelwelt von Herbert Wernickes Bühne auseinander, und sein Vexierspiel zwischen Wirklichkeit und Widerschein macht einer schwarzen Freitreppe Platz. Auf ihr überreicht Octavian, dem Sophie Koch Präzision und Feuer verleiht, der mit glockenhellem Sopran singenden Diana Damrau als Sophie die silberne Rose. Der Mohr, hier ein Arlecchino aus der Tradition der Commedia dell'Arte, sitzt ganz oben - am Ende der Oper wird er die Silberblume, die das junge Paar selig gen Himmel streckt, gegen eine frische rote Rose austauschen.

Zu diesem Zeitpunkt ist man schon tief hineingesunken in diese Inszenierung, in der Opulenz und subtile Tiefenschärfe von Takt zu Takt bezaubernder zusammenkommen. Man hat sich anrühren lassen von der kammermusikalischen Dichte, zu der das Orchester jetzt gefunden hat, man genießt Franz Grundhebers prägnanten Faninal, und spätestens wenn die Marschallin vor herbstlicher Kulisse Abschied nimmt, ist Renée Flemings Stimme entweder runder und feiner geworden oder man hat sie sich schöngehört. Irgendwie bewies sich an diesem Abend wieder einmal die Wahrheit dessen, was die Marschallin im Stück gleich anfangs behauptete: In dem Wie, da liegt der ganze Unterschied.






 
 
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