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Der Standard, 27. April 2009 |
Peter Vujica |
Massenet: Manon, Wien, 26. April 2009
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Qualitäten vom Piano bis zum Forte
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Mit Jonas Kaufmann, einem an seiner Zuneigung leidenden Liebhaber
auf der Opernbühne
Wien - Zumindest auf der Opernbühne erweisen sich die Herren mitunter
beständiger als die mit ihnen liierten Damen. Man denke nur an Carmen, die
jenen ihr ergebenen Don José schnell gegen Escamillo austauscht. Und auch
die Manon - in Jules Massenets gleichnamiger Oper - ist in ihrer Zuneigung
zu Chevalier Des Grieux ziemlich labil. Während Letzterer soeben einen Brief
an seinen gräflichen Vater verfasst hat, in dem er diesen um die
Einwilligung zur Ehe mit Manon ersucht, gibt sie den Einflüsterungen eines
Rivalen nach, der mit Reichtum lockt.
In dieser Partie des zwischen Liebesglück und Enttäuschung immer wieder hin-
und herschwankenden Chevalier war nun an der Staatsoper erstmals der schon
seit längerem als geheimer Weltmeister fast aller Tenorklassen gehandelte
Jonas Kaufmann zu hören. Wohl hat der Lärm des von Miguel Gomez-Martinez
geleiteten Staatsopernorchesters dem Stargast während des ersten Aktes etwas
zu schaffen gemacht. Doch drosselte man im weiteren Verlauf der Vorstellung
die Dynamik auf maßvolle Werte, sodass Kaufmann sein bewundernswertes
Stimmpotenzial in allen Schattierungen voll zum Einsatz bringen konnte.
Die tenorale Pracht
Was an Kaufmann besonders fasziniert, ist seine Fähigkeit, die Stimme
ohne den geringsten Bruch und ohne jede Irritation vom gehauchten Piano bis
zum männlich timbrierten, aber dennoch strahlenden Forte zu steigern (wie
etwa am Schluss des dritten Aktes, als er Manons Verführungskünsten abermals
erliegt).
Dazu kommt, dass Kaufmann auch optisch einen an seiner Zuneigung
leidenden Liebhaber darstellt, den man auf der Opernbühne nicht alle Tage
erlebt. Hochgewachsen, jung und athletisch, weiß er nicht nur sein dunkles
Lockenhaupt malerisch zu schütteln, sondern auch den diversen
Stimmungsschwankungen mit kleinsten Gesten diskreten Ausdruck zu verleihen.
Norah Amsellem als Manon hat es natürlich eher schwer, gegen ein solches
Kaliber anzusingen und anzuspielen. Sie tut es mit sehr achtbarer
Stimmtechnik, doch ohne Bravour und auch ohne die nötige darstellerische
Dominanz. Dan Paul Dumitrescu schließlich war ein sympathischer väterlicher
Graf und Markus Eiche ein etwas farbloser Lescaut. (Peter Vujica, DER
STANDARD/Printausgabe, 28.04.2009) |
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