Mannheimer Morgen, 13. Januar 2009
Waltraud Brunst
Konzert, Mannheim, 11. Januar 2009
Höhenflüge eines Tenors
Jonas Kaufmann beglückt sein Mannheimer Publikum mit einem eindrucksvollen Auftritt im Rosengarten
Glückliches Mannheim! Jonas Kaufmann, der heiß ersehnte deutsche Tenorissimo, der noch drei Tage zuvor sein Stuttgarter Konzert wegen einer schweren Erkältung absagen musste, war da. Was ärztliche Kunst, Stimmkultur und eiserne Disziplin zu leisten vermögen, dankte ihm ein hingerissenes Publikum im wohlgefüllten Mozartsaal mit stetem Crescendo an Beifall und Bravo-Rufen. Von einem Rest an Indisposition kündeten allenfalls die etwas vorsichtig absolvierte erste Arie ("Recondita armonia" aus Puccinis "Tosca") und das ohne die legendäre Wunderlich-Strahlkraft gesungene, wenngleich sicher erreichte hohe C in "Che gelida manina" aus "La Bohème".

Nun sind es ja gewiss nicht (nur) die hohen Töne, die den Zauber des 39-jährigen Ausnahmesängers ausmachen, der, erstaunlich genug, erst nach Erfolgen an den größten Bühnen der Welt in der Heimat zur Kenntnis genommen wird. Während die deutschen Medien nicht müde werden, das "irrsinnig gute Aussehen" des gebürtigen Münchners zu preisen, hat das Musiklabel Decca mit der Debüt-CD "Romantic Arias" tatsächlich Kaufmanns außerordentliche stimmliche Potenz in den Fokus gerückt. Voilà - ein romantischer Sänger!

Zwischen Wagner und Mozart

Jonas Kaufmann kann sich den ungewöhnlichen Rollen-Spagat zwischen Mozart und Wagner leisten, weil er tenorale Höhenflüge aus männlich-dunklem Fundament entwickelt, sich ebenso sicher im italienischen wie im französischen Repertoire bewegt und sein betörendes Timbre ohne Sentimentalität und Effekthascherei einsetzt. Auffallend, dass er dank perfekter Atemtechnik oft erstaunlich langsame Tempi wählt und bei den meisten Arien über weite Strecken seine berückende Pianokultur demonstriert, was die finalen Höhepunkte umso effektvoller wirken lässt.

So geschehen bei "Ach so fromm" aus "Martha" von Flotow, der zweiten "Tosca"-Arie "E lucevan le stelle", der ergreifend gestalteten Blumen-Arie aus Bizets "Carmen" und einer wunderbar beseelten Gralserzählung aus Wagners "Lohengrin". Einsamer Gipfel der Vokalkunst: "Pourquoi me réveiller" aus "Werther" von Jules Massenet.

Die Begegnung mit Jonas Kaufmann versöhnte fast mit einem Organisations-Debakel, das sich BB-Promotion nicht leisten sollte: den "irgendwie" verloren gegangenen Programmheften. Es gab zwar DIN-A5-Zettel mit korrektem Programm, aber ohne Angaben zu Orchester und Dirigent, von Lebensläufen und Hintergrund-Infos ganz zu schweigen. Selbst von den Zetteln gab es viel zu wenig, weshalb noch eilig kopierte Orchester-Ablaufzettel (mit Minuten-Angaben und Zugabe-Plänen) unters Volk geworfen wurden. So etwas Provinzielles, meinte etwa der Ex-Mannheimer Kapellmeister Peter Sommer, habe er noch nie erlebt.

Der Publikums-Unmut, man erführe für viel Geld nicht einmal, wer da spielt und dirigiert, muss in der Pause auch über die Rampe gedrungen sein. Zu Beginn der zweiten Programmhälfte teilte Dirigent Michael Güttler lächelnd mit, dass es sich beim Begleitorchester um die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz handele, was völlig zu Recht mit starkem Beifall quittiert wurde.

Michael Güttler dirigiert präzise

Denn der international renommierte, mit jugendfrischem Ungestüm, dabei präzise und elegant dirigierende Michael Güttler und die blendend aufgelegten Staatsphilharmoniker gaben mit diversen Ouvertüren ("Guglielmo Tell", "Oberon" oder "La forza del destino"), dem Intermezzo aus "Cavalleria rusticana", vier Sätzen aus Bizets "Carmen"-Suiten und dem hinreißend musizierten Vorspiel zum dritten "Lohengrin"-Akt eine fabelhafte Visitenkarte ab.

Drei Zugaben (von Cilea, de Curtis, Lehár) gewährte Jonas Kaufmann am Ende; der Jubel hätte für deren zehn ausgereicht.






 
 
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