Der Neue Merker
Alex Eisinger
Wagner: Lohengrin, München, 15. Juli 2009
LOHENGRIN oder : "Schaffe, schaffe, Häusle baue ... "
 

Zitat1: "Denn so wie Lohengrin und Elsa als Architekten einer neuen Gesellschaft zu agieren versuchen" ...und einige Seiten weiter hinten
Zitat2: "So wie Lohengrin und Elsa eine neue Gesellschaft bilden wollen, ...."

das sind zwei willkürlich-herbeigeredete Behauptungen aus dem Programmheft um das Konzept der Inszenierung zu rechtfertigen. Nichts im Libretto stützt direkt diese sozialpolitischen Aussagen, das Team aus Regie und Dramaturgie versucht des Komponisten revolutionäre, politische Ideen auf die Figuren dieses romantisch-märchenhaften Werks zu übertragen. Wenn als Folge die Geschichte ins reale Handwerkermilieu hineingepresst wird, geht jeglicher mystische Zauber verloren, ganz zu schweigen davon, dass der Text öfters null Bezug zur Bühnenaktion hat, dieser geradezu zuwiderläuft. Und diese Tatsache wird umso deutlicher, wenn fast ausschliesslich klar artikulierende Interpreten (ein erwähnenswertes Positivum) deutscher Muttersprache auf der Bühne stehen. Zudem misstraut die Regie der Kraft der Musik.

Dazu zwei Beispiele: Während des Vorspiels, das vom bestens disponierten Orchester unter Kent Nagano von ppp bis zum fff-Höhepunkt anschwillt und danach bis zum ppp verebbt und sozusagen abstirbt, ist nach heutiger (Un)-Sitte der Vorhang natürlich bereits offen, das mit Rücken zum Publikum dastehende Elsa-Double fertigt im Stil eines Bauzeicher-Lehrlings die Skizze eines Hauses an, ca 7 Striche in 9 Minuten!) Das Orchestervorspiel zum 3.Akt wird durch äusserst hektisches Fertigstellen des Hauses (alle und alles im Laufschritt) ebenfalls "verdorben".

Damit genug: da bereits ein Merkerianer in seinem Bericht die Regie zerzaust hat, beschränke ich mich darauf anzufügen, dass Richard Jones mit Ortrud im neuen Milieu nichts anzufangen weiss, der König nie klare Kontur gewinnt und der Heerrufer auf einem Tennis-Schiri-Stuhl sitzt.

Wenn anlässlich einer Repertoire-Vorstellung, bei der das Publikum klar weiss, dass der "Sündenbock" nicht mehr im Hause anwesend ist, nach dem 1.Akt nicht nur einzelne Buhrufe ertönen (die allerdings aus mehreren Ecken des Hauses von penetrant schreienden Bravorufern abgewürgt werden), sagt das eigentlich alles!

Zu den Sängern: beginnen wir mit den zwei Rollendebutanten: Anja Harteros ist eine in Spiel und Gesang grandios-engagierte Elsa mit jugendlich-dramatischem, der Expansion fähigem Sopran, für mich (neben Petra Lang) zur Zeit die qualitativ beste Stimme in diesem Fach seit Jeanine Altmeyer Mitte der 70-er-Jahre. Jonas Kaufmann ein überzeugender Lohengrin, der in Zeiten von "lauten Orchestern" und oft "schreienden Sängern" sein dunkeltimbriertes Stimmorgan auch p, pp und ppp einzusetzen wagt, was ihm gewisse Leute in der Pause gesprächsweise gleich als Unvermögen anlasten. Wenn das Publikum zum Schluss diese zwei Künstler am lautesten bejubelt, hat das wahrscheinlich damit zu tun, dass nur gerade in der intimen Brautgemach-Szene eine von der Regie als einigermassen normal zu geltende Interaktion geduldet wurde und somit Stimmung aufkam.

Kompliment an Wolfgang Koch, der die sogenannte Brüllpartie des Telramund zu singen wusste. Michaela Schuster kommt bei den zwei gefürchteten Stellen "Entweihte Götter ..." und der Schlussszene stimmlich nie in Verlegenheit, mir fehlten jedoch die dunklen Farben in der Stimme; dass sie im 1.Akt von der Regie links liegen gelassen und beim Gang zum Münster im Dirndl (passt eher zu einem Heimatfilm oder am TV zur Volksmusik) auftreten musste und damit zu keiner Zeit dämonisch oder intrigant wirkte, ist nicht ihr anzulasten.

Christof Fischesser sang den König mit guter Höhe, jedoch schmaler Tiefe und Evgeny Nikitin war der Heerrufer. Chor und Orchester in Hochform.






 
 
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