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BlaueNarzisse, 11.07.2009 |
Simon Meyer |
Wagner: Lohengrin, München, 5. Juli 2009
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Oper für alle – „Lohengrin“ in München
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Wagners «Lohengrin» bei den Münchner
Opernfestspielen |
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Münchner Opernfestspiele – das bedeutet im
Regelfall Sektempfang, Small-Talk zwischen der Crème de la Crème des
oberbayerischen Geldadels und mehr oder weniger bedeutungsschwangerer
Applaus zu modernisierten Klassikern. Zur Premiere des vom britischen
Regisseur Richard Jones inszenierten „Lohengrins“ kam es am 5. Juli im
Bayerischen Nationaltheater etwas anders.
Medienrummel, Starbesetzung, modernes Regietheater
Vor allem Jonas Kaufmann als Lohengrin kündigte man im Vorfeld
der Premiere groß an – ein Münchner Tenor, der auf den Bühnen der Welt
bereits geglänzt hat, bei der Premiere einer Wagner-Oper im Nationaltheater!
Dazu kommt mit Kent Nagano eine große Nummer unter den Dirigenten, der mit
seinen Wagner-Interpretationen bereits einen guten Ruf erlangt hatte.
Einen vergleichbaren Medienrummel vor einer Veranstaltung hätte ansonsten
allenfalls ein Spiel des FC Bayern in der Champions League ausgelöst.
Man war also gespannt, und man durfte auch einiges erwarten: Lohengrin, zum
Höhepunkt der Opernfestspiele. Das ist eine Oper, in der König Heinrich
Verse wie
„Ob Ost, ob West, das gelte allen gleich.
Was deutsches Land ist, stelle Kampfesscharen.
Dann schmäht wohl niemand mehr das deutsche Reich“
zum besten gibt. Dazu singt ein gefeierter deutscher Heldentenor, noch
dazu gebürtiger Münchner, begleitet von einer fast ausschließlich deutschen
Besetzung. So mancher altlinke Feuilletonist mag bei dieser bedenklichen
Häufung politisch unkorrekter Faktoren im Geiste bereits den mahnenden
Zeigefinger erhoben haben.
Doch was hilft am allerbesten gegen das Aufkommen von überschwänglichem
Pathos oder nationalistischer Barbarei? Richtig – modernes Regietheater,
vorgetragen von einem kritischen Regisseur. Das beste hierzu vorweg: Die
Regie fiel in grandioser Weise durch. Das Konzept des englischen Regisseurs
Richard Jones wurde vom sonst so gediegenen Münchner Premierenpublikum
gnadenlos ausgebuht. Soviel künstlerisches Gespür ist für die Münchner
Schickeria allerdings untypisch. Ob auch der anwesende Staatspräsident
Köhler mitbuhte oder präsidiale Zurückhaltung übte, ist nicht bekannt.
Die oberbayerischen Häuslebauer
Jones hatte den dümmlichen Einfall, Lohengrin und Elsa als
Häuslebauer darzustellen und ließ sie im Verlauf der Dramaturgie aus
häßlichen weißen Steinen ein Eigenheim errichten. Um sie herum stapfte in
braunen Uniformen mit zu kurz gebundenen Krawatten eine Schar Polizisten,
die wohl an die faschistoiden Elemente in Richard Wagners Werk gemahnen
sollten. Am Ende erschießen sich alle. Warum, weiß keiner, aber es ist –
welch ungewollte Ironie des Regisseurs – ein verdientes Ende für eine
peinliche Inszenierung. Jones fand seine Idee mit Sicherheit trotzdem
richtig klasse und fühlte sich nur von den Münchner Banausen mißverstanden.
Beim nächsten Mal wird er sicher alles noch ein bißchen kritischer und
bunter darstellen.
Was übrigblieb, war die Musik einer der schönsten romantischen Opern. Denn
anders als reine Theaterinszenierungen hat eine Opernaufführung den Vorteil,
dass die Musik im Mittelpunkt steht. Auch die Musik bunt und kritisch
darzustellen, ist bislang noch unüblich, und so war der Genuß sicher für
denjenigen am größten, der während der Aufführung konsequent die Augen
schloß, denn die Musik entschädigte für die schwachsinnige Inszenierung,
wenngleich der Dirigent teilweise das Tempo arg hoch hielt. Anders als der
Regisseur wurde der Dirigent und das Orchester vom Opernpublikum auch
entsprechend mit reichlich Applaus bedacht. Lohengrin ist die wohl am
wenigsten pompöse Oper Wagners in echt romantischer Tradition. Wolfgang Koch
überzeugte als donnernder Friedrich von Telramund, Jonas Kaufmann blieb
aber trotz aller Vorschußlorbeeren für den Tenor eigentlicher Held des
Abends. Anja Harteros zog als Elsa von Brabant das Publikum in den Bann
ihrer zarten, romantischen Stimme.
Oper und Picknick statt DSDS und Sofacouch
Weniger förmlich als im Nationaltheater ging es derweil draußen auf
dem Max-Joseph Platz zu, wo etwa 14.000 Musikfreunde auf Picknickdecken und
mit Weingläsern auf einer Großleinwand der fünfstündigen Veranstaltung
folgten. Für ein Volk, dass sich ansonsten gerne an Fernsehereignissen wie
„Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) oder vergleichbaren
„Kulturleistungen“ ergötzt, ist das immerhin bemerkenswert. Oper fungierte
so einmal nicht als exklusive Veranstaltung für das Repräsentationsbedürfnis
des Geldadels, sondern als Musikerlebnis für breitere Schichten. Es handelte
sich zwar auch hier um eine Massenveranstaltung. Dies wich aber immerhin
vom üblichen Mainstream etwas ab.
Was bleibt von der mit Spannung erwarteten Premiere? Die Befriedigung, dass
es die Deutschen waren, die den Abend prägten und die Tatsache, dass unser
Land in eher kulturfernen Zeiten trotz allem noch solche Wagner-Sänger
hervorbringen kann. Es überlebt die Hoffnung, Richard Jones möge irgendwo
sonst die Opernbesucher mit seinem künstlerischen Schmalspurprogramm
belästigen. Und schließlich steht der nächste Höhepunkt der Opernfestspiele
vor der Tür. Am 10. Juli 2009 wird Anna Netrebko bei einem Auftritt unter
freiem Münchner Himmel ihre Rückkehr nach vierjähriger Abwesenheit feiern. |
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