dpa, 06.07.2009
Wagner: Lohengrin, München, 5. Juli 2009
Lohengrin als Anti-Held - Jonas Kaufmann gefeiert
 
München (dpa) - Es sollte der Abend des Jonas Kaufmann werden: Der Star-Tenor, der seine größten Erfolge lange Zeit auf internationalen Bühnen feierte, kehrte in seine Heimatstadt München zurück.

Bei den Opernfestspielen gab er am Sonntagabend sein Debüt als Lohengrin in Richard Wagners gleichnamiger Oper - die Rolle, die er auch 2010 bei den Bayreuther Festspielen singen wird. Hohe Erwartungen waren damit verbunden, und Kaufmann wurde vom Publikum gebührend gefeiert - aber der ganz große Triumph war es denn doch nicht für den 40-Jährigen, der an der Schwelle zum Wagner-Interpreten mit künftigen Partien wie Siegmund, Tannhäuser oder gar Siegfried steht.

Dies mag auch an der wenig inspirierten, ungenauen Inszenierung von Richard Jones gelegen haben, die vom Publikum im Nationaltheater lautstark und einmütig niedergebuht wurde. Sie macht dem Lohengrin eine Profilierung fast unmöglich. Kein Held tritt da auf, sondern ein Anti-Held, ein junger, unscheinbarer Mann in blauem Shirt und silberfarbener Freizeithose, der nichts anderes zu tun hat, als sich flugs als Häuslebauer zu betätigen. Denn auf eine Baustelle verlegt der britische Regisseur das Geschehen, da wird Mörtel angerührt, gemauert und gezimmert, was das Zeug hält. Das eigene Heim als höchstes Glück - Jones nimmt Richard Wagners Oper alles Heldische, Mystische, Utopische, er banalisiert und parodiert sie.

In dieser Inszenierung gab Kaufmann einen verhaltenen, schmerzlichen Lohengrin - mit klarer Artikulation, genauestem Piano, schattiertem Timbre, berührend und mit imponierender Steigerung in der Gralserzählung. Doch jene heldenhaft Strahlkraft, die das Publikum stets am meisten betört, ließ er über weite Strecke vermissen.

Das unattraktive, hell ausgeleuchtete Bühnenbild mit dem heranwachsenden Einfamilienhaus (Bühne und Kostüme: Ultz) trifft auf eine statische Regie. Jones nutzt den Raum nicht, sondern drängt den Chor die meiste Zeit ganz vorne auf einigen Quadratmetern einfallslos zusammen wie einen Gesangverein. Die Personenführung verlangt den Sängern darstellerisch kaum etwas ab. Dies alles trägt nicht dazu bei, die feinen psychologischen Motive offen zu legen, mit denen Wagner das Drama um den Schwanenritter entwickelt hat.

So waren die Höhepunkte im Musikalischen zu suchen. Hier sorgte neben Kaufmann vor allem eine grandios aufgelegte Anja Harteros bei ihrem Rollendebüt als Elsa von Brabant für Festspielglanz. Mit ihrem lyrischen Sopran, mühelos auch in den Spitzentönen, verbreitete sie die ganze Fülle des Wohllauts und wurde begeistert gefeiert. Dass Lohengrin das spießige Häuschen am Ende, als die verbotene Frage nach dem Woher gestellt und die Liebe gescheitert ist, kurzerhand abfackelt, sollte diese wunderbare Elsa leicht verschmerzen können.

Herausragendes lieferte auch Wolfgang Koch als Friedrich von Telramund ab - furios in seiner Anklage, seinem Hass und seiner Schmach. Michaela Schuster als intrigante Ortrud konnte da nicht Schritt halten. Solide agierte Christof Fischesser als König Heinrich, unauffällig blieb der Heerrufer Evgeny Nikitin.

Am Pult hatte Münchens Generalmusikdirektor Kent Nagano ein Heimspiel. Grazil ließ er das silbrige Vorspiel anheben - zu dem bei offenem Vorhang am Reißbrett bereits das Lohengrin-Häuschen entsteht. Doch bald schon trumpften die Bläser mächtig auf. Dies blieb das kleine Manko in Naganos ansonsten transparenter, zupackender Interpretation mit dem Bayerischen Staatsorchester: Gewaltig ließ er das Blech donnern, baute Klangkaskaden auf, gegen die die Sänger zeitweise kaum ankamen. Dirigent, Orchester und die stimmgewaltigen Chöre (geleitet von Andrés Máspero) wurden gleichwohl mit großem Beifall bedacht.

Während drinnen in der Oper die Besucher - unter ihnen Bundespräsident Horst Köhler und seine Frau Eva-Maria - stolze Preise für die Festspielkarten berappen mussten, sofern sie nicht auf der Liste der Ehrengäste standen, kamen mehr als 10 000 Besucher ganz umsonst in den Genuss der Aufführung: Denn diese wurde im Rahmen von «Oper für alle» live auf Großleinwand auf den Max-Joseph-Platz vor dem Nationaltheater übertragen. Zeitweise unter Regenschirmen harrten die Menschen aus - und wurden direkt nach der Aufführung mit einem überraschenden Besuch der Sänger auf den Stufen zur Oper belohnt.






 
 
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