Der Standard, 06. Juli 2009
Joachim Lange
Wagner: Lohengrin, München, 5. Juli 2009
Qualität zwischen Glamour und Bratwurst
 
Richard Wagners "Lohengrin" mit toller Sängerbesetzung zum Auftakt
Foto: W. Hösl, Staatsoper
Dieser Lohengrin schließt Nikolaus Bachlers erste Spielzeit als Intendant ab - und ist auch die eigentliche Eröffnung der Opernfestspiele. Bachler hat sie nicht nur mit dem deutschen Bundespräsidenten und Kollegen (von Gerard Mortier bis Ioan Holender) protokollarisch aufgehübscht, sondern auch auf den Vorplatz (und obendrein nach Wien) übertragen lassen. Zwischen Glamour und Bratwurst hat das als Event gut funktioniert, das Regieteam um Richard Jones wurde, ganz wagnerlike, ausgebuht.

Wesentlich besser kamen Kent Nagano und sein Orchester weg, obwohl sie bei ihrem Marsch Richtung silbrig umwölkter Gralsromantik mitunter ins Blechgewitter geraten waren, wo es nicht dem höheren Zweck einer Verdeutlichung demagogischer Wagner-Nebenwirkungen diente. In den überraschenden Momenten war Nagano jedoch mit von der Partie, wobei diese Momente den Sängern zu danken waren. Das Spannendste war Jonas Kaufmanns Lohengrin-Debüt: Es wurde kein an Vorbilder erinnernder, sondern ein persönlicher Lohengrin mit betörend edler Strahlkraft, stets mit Charisma wie Substanz. Und mit einer atemberaubenden Gralserzählung!

Die Optik? Die Frauen tragen die berüchtigten geflochtenen Haarkränze und die Männer braune Uniform oder ein "B" am Revers - hier wohl weniger "B" wie Brabant, als vielmehr "B" wie Bayern. Hier ist alles mehr eine selbstgebaute, normierte Eigenheimspießerhölle mit Bauernmöbeln und einem aus Blumen gelegtem Wahnfriedspruch vorm Haus.

Lohengrins Wähnen findet hier keinen Frieden. Das ist schon klar, als er in seinem Freizeitlook für Gralsritter (Jogginghose mit Silberstreifen und Silberschuhen) auftaucht und die notorisch auf ihr eigenes Häuschen versessene Elsa vor dem Lynchmord durch die Dorfgesellschaft rettet und dann als Zimmermann beim Hausbau unterstützt. Als die Sache für ihn und für sie schiefgeht, schüttet er Benzin übers Ehe- und Kinderbett und zündet das gerade fertig gewordene Einfamilienhaus an.

Auf gleich hohem Niveau wie Kaufmann faszinierte Anja Harteros mit einer glockenklaren, jugendlich blühenden Elsa, auch Wolfgang Kochs Telramund, Evgeny Nikitins Heerrufer liefern Festspielniveau. Michaela Schusters Ortrud war hier in jedem Fall eine Klasse besser als in Berlin, die Chöre ließen sich jedoch mitunter zu viel vom Wechsel des Bühnenbildes zwischen Rampe (vor Wand mit Wappenfries und Türen) und Eigenheimbaustelle irritieren.

Regisseur Richard Jones mischt seinem "My home is my castle" -Ansatz eine Melange aus banal Folkloristischem und durchscheinender Militanz bei. Abgeschmeckt wirkt das mit allerlei Mätzchen und Ungereimtheiten. Am Ende verliert Elsa ihren Lohengrin und kriegt das Brüderchen wieder, während sich der Rest der bajuwarischen Brabanter die Pistole in den Mund steckt.

Ganz so schlimm ist es aber nun auch wieder nicht im Lande "B". Der Münchner Tenor Jonas Kaufmann ist jedenfalls da, wo er hingehört - an vielleicht dem deutschen Opernhaus und in einer Wagner-Paraderolle. Da können sich all jene Opernhäuser ärgern, die ihn sich nicht gesichert haben, als dies noch verhältnismäßig leicht war.






 
 
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