Es
ist nicht gut, wenn ein Traumpaar (Anja Harteros und Jonas Kaufmann) erst
nach dem Hausbau und der Hochzeit miteinander spricht.
Foto: Rabanus
Das Nationaltheater hat ein neues Traumpaar: Anja Harteros und Jonas
Kaufmann. Der dunkel timbrierte Sopran vereint sich ideal mit dem
baritonalen Heldentenor des Münchners. Auch kleine Noten nimmt die
Sängerin aus Bergisch-Gladbach liedhaft ernst und überstrahlt doch große
Ensembles. Wann gab es je eine Elsa, die neben ihrer Musikalität auch als
Verkörperung dieser von treudeutscher Neckigkeit bedrohten Figur so
überzeugte?
Jonas Kaufmann wirkt ähnlich natürlich. Es mag strahlendere
„Lohengrin“-Interpreten geben, aber er ist der einzige, bei dem alles
stimmt: Lyrisches wie der Abschied gelingt ihm ähnlich sicher wie der
bestimmend-heldische Ton der Anklage des dritten Akts. In der Gralserzählung
kommt er weniger aus Glanz und Wonne, das verhangene Timbre aber macht ihn
zu einer im Scheitern menschlich anrührenden Gestalt.
Zu laut?
Ebenso herausragend waren die Bösewichter: Michaela Schusters Ortrud prunkte
ohne jedes Keifen mit hochdramatischen Tönen, Wolfgang Koch versöhnte als
Telramund wortgezeugte Gesangskultur mit unerschöpflicher Kraft. Christof
Fischessers kaltstimmiger König und der solide Heerrufer von Evgeny Nikitin
konnten da nicht ganz mithalten.
Als Kent Nagano vor dem dritten Akt erschien, brüllte jemand „zu laut“. Der
Generalmusikdirektor inszeniert eine große Oper, vom Parkett aus gehört,
wirkte es nie roh oder rücksichtslos. Mit dem Staatsorchester wandelte er
auf dem goldenen Mittelweg zwischen struktureller Klarheit und emotionaler
Wärme. Nur beim Beginn der Gralserzählung hätte mehr Diskretion nicht
geschadet.
Musikalisch war dieser „Lohengrin“ die beste Wagner-Aufführung der letzten
Jahre. Aber leider muss diese romantische Oper inszeniert werden, und das
geht fast immer schief. Immerhin erzählte Richard Jones psychololgisch
schlüssig, wie Elsa und Lohengrins Liebe an mangelndem Vertrauen scheitert.
Elsa plant im Vorspiel ein Haus, das sie gegen den Widerstand ihrer Gegner
Stein für Stein manisch aufeinander schichtet, während sie den rettenden
Traummann herbeisehnt. Ein stimmiges, zwischen Nestbau und
Wüstenrot-Spießigkeit changierendes Idyll, das der gescheiterte Lohengrin
zuletzt zerstört: Er übergießt die frisch gezimmerte Wiege und das Brautbett
mit Benzin und zündet es an.
Das passt durchaus auch zur nachfolgenden Schmettermusik, die immer ein
bisschen nach dem Tatü-Tata der Feuerwehr klingt. Spätestens seit
Konwitschnys vergurktem „Holländer“ weiß man aber, dass herostratische Akte
im Theater läppisch wirken, weil die Bühne nun mal kein Kino ist.
Einfallslose Haupt- und Staatsaktion
Mit den Kriegsrüstungen des zu Heinrich dem Dorfbürgermeister degradierten
Königs fiel Jones nur Diffuses ein. Warum der Heerrufer wie Big Brother im
Televisor erschien, blieb rätselhaft. Immerhin ermöglichte es, Lohengrins
Unterschrift auf dem Ehevertrag zu zeigen, die in einem Haken mit der
Anmutung eines L bestand.
Die Verlegenheit gipfelte im schwach motivierten Massenselbstmord nach dem
Verschwinden des charismatischen Zimmermanns. Von mangelndem Handwerk zeugt
es, den Chor auf eine sonst überflüssige Brücke zu packen und den Häuslebau
einigen Statisten zu übertragen.
Eine Wütender sorgte mit Rufen wie „Steuerverschwendung“ für
Skandalstimmung. Dass der in vielen Köpfen spukende „Lohengrin“ im
Neuschwanstein-Stil alber wäre, erfuhr 1978 schon August Everding. Bei Jones
wird die anrührende Geschichte einer idealistischen Paares daraus, das nach
dem Hausbau in Scheidung endet. Mehr Gegenwart hat bisher kein Regisseur
diesem romantischen Märchen abgerungen. Ein paar Buhs, na gut, aber die
gnadenlose Abstrafe war unverdient.
Und so wirkte die Aufführung draußen
"Lohengrin“ auf der Leinwand ist nicht weniger intensiv als in der
Staatsoper. Vorausgesetzt, der Regen spielt nicht die Hauptrolle. Am Sonntag
blieb es mit kleineren Ausnahmen trocken, so dass sich mit einbrechender
Dunkelheit jene unglaubliche Atmosphäre einstellte, die auch auf die
zahlreichen Touristen so magisch wirkt: Ein Platz, gefüllt mit tausenden,
schweigenden Menschen, die an den Lippen der Sänger hängen. Nach bravourös
gemeisterten Wagner-Schwierigkeiten brandet gelegentlich Szenenapplaus auf.
Etw 16000 Zuschauer verfolgten nach Angaben der Staatsoper Wagners
"Lohengrin" auf dem Max-Joseph-Platz.
Foto: Mike Schmalz
Der wahre Pluspunkt ist – neben dem erstaunlich guten Klang – die Bildregie,
die das vor Trostlosigkeit strotzende Bühnenbild vergessen lässt. Mit
fantastischen Schwenks und Zooms entsteht Opernkino, das in der Staatsoper
nicht einmal auf den 243-Euro-Plätzen geboten wird. Man bekommt die Sänger
auch ohne Opernglas hautnah mit, sieht jedes Detail. Auch die Träne, die dem
romantisch verzückten Jonas Kaufmann bei Lohengrins Abschied über die Wange
kullert. Da kann Hollywood einpacken.
Schade nur, dass Intendant Nikolaus Bachler kein Mann für pathetische
Momente ist. Als er mit den drei Siegern des Abends, Harteros, Kaufmann und
Kent Nagano vor die Oper und das elektrisierte Publikum tritt, greift er zum
Mikro und wünscht nur eine gute Nacht, statt seine Helden vorzustellen.
Während in der Oper das Regieteam mit einem Proteststurm von der Bühne
gejagt wird, brauste auf dem Max-Joseph-Platz nur einmal Gebuhe auf: als die
Kamera beim Schwenk über die Premieren-Promis Edmund Stoiber erfasst.
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