Abendzeitung, 6. Juli 2009
Robert Braunmüller
Wagner: Lohengrin, München, 5. Juli 2009
Zimmerer sucht Frau
 
Musikalisch war der „Lohengrin“ der beste Wagner seit Jahren in der Staatsoper, aber inszenieren sollte man ihn trotzdem
Es ist nicht gut, wenn ein Traumpaar (Anja Harteros und Jonas Kaufmann) erst nach dem Hausbau und der Hochzeit miteinander spricht.
Foto: Rabanus

Das Nationaltheater hat ein neues Traumpaar: Anja Harteros und Jonas Kaufmann. Der dunkel timbrierte Sopran vereint sich ideal mit dem baritonalen Heldentenor des Münchners. Auch kleine Noten nimmt die Sängerin aus Bergisch-Gladbach liedhaft ernst und überstrahlt doch große Ensembles. Wann gab es je eine Elsa, die neben ihrer Musikalität auch als Verkörperung dieser von treudeutscher Neckigkeit bedrohten Figur so überzeugte?

Jonas Kaufmann wirkt ähnlich natürlich. Es mag strahlendere „Lohengrin“-Interpreten geben, aber er ist der einzige, bei dem alles stimmt: Lyrisches wie der Abschied gelingt ihm ähnlich sicher wie der bestimmend-heldische Ton der Anklage des dritten Akts. In der Gralserzählung kommt er weniger aus Glanz und Wonne, das verhangene Timbre aber macht ihn zu einer im Scheitern menschlich anrührenden Gestalt.

Zu laut?

Ebenso herausragend waren die Bösewichter: Michaela Schusters Ortrud prunkte ohne jedes Keifen mit hochdramatischen Tönen, Wolfgang Koch versöhnte als Telramund wortgezeugte Gesangskultur mit unerschöpflicher Kraft. Christof Fischessers kaltstimmiger König und der solide Heerrufer von Evgeny Nikitin konnten da nicht ganz mithalten.

Als Kent Nagano vor dem dritten Akt erschien, brüllte jemand „zu laut“. Der Generalmusikdirektor inszeniert eine große Oper, vom Parkett aus gehört, wirkte es nie roh oder rücksichtslos. Mit dem Staatsorchester wandelte er auf dem goldenen Mittelweg zwischen struktureller Klarheit und emotionaler Wärme. Nur beim Beginn der Gralserzählung hätte mehr Diskretion nicht geschadet.

Musikalisch war dieser „Lohengrin“ die beste Wagner-Aufführung der letzten Jahre. Aber leider muss diese romantische Oper inszeniert werden, und das geht fast immer schief. Immerhin erzählte Richard Jones psychololgisch schlüssig, wie Elsa und Lohengrins Liebe an mangelndem Vertrauen scheitert. Elsa plant im Vorspiel ein Haus, das sie gegen den Widerstand ihrer Gegner Stein für Stein manisch aufeinander schichtet, während sie den rettenden Traummann herbeisehnt. Ein stimmiges, zwischen Nestbau und Wüstenrot-Spießigkeit changierendes Idyll, das der gescheiterte Lohengrin zuletzt zerstört: Er übergießt die frisch gezimmerte Wiege und das Brautbett mit Benzin und zündet es an.

Das passt durchaus auch zur nachfolgenden Schmettermusik, die immer ein bisschen nach dem Tatü-Tata der Feuerwehr klingt. Spätestens seit Konwitschnys vergurktem „Holländer“ weiß man aber, dass herostratische Akte im Theater läppisch wirken, weil die Bühne nun mal kein Kino ist.

Einfallslose Haupt- und Staatsaktion

Mit den Kriegsrüstungen des zu Heinrich dem Dorfbürgermeister degradierten Königs fiel Jones nur Diffuses ein. Warum der Heerrufer wie Big Brother im Televisor erschien, blieb rätselhaft. Immerhin ermöglichte es, Lohengrins Unterschrift auf dem Ehevertrag zu zeigen, die in einem Haken mit der Anmutung eines L bestand.
Die Verlegenheit gipfelte im schwach motivierten Massenselbstmord nach dem Verschwinden des charismatischen Zimmermanns. Von mangelndem Handwerk zeugt es, den Chor auf eine sonst überflüssige Brücke zu packen und den Häuslebau einigen Statisten zu übertragen.
Eine Wütender sorgte mit Rufen wie „Steuerverschwendung“ für Skandalstimmung. Dass der in vielen Köpfen spukende „Lohengrin“ im Neuschwanstein-Stil alber wäre, erfuhr 1978 schon August Everding. Bei Jones wird die anrührende Geschichte einer idealistischen Paares daraus, das nach dem Hausbau in Scheidung endet. Mehr Gegenwart hat bisher kein Regisseur diesem romantischen Märchen abgerungen. Ein paar Buhs, na gut, aber die gnadenlose Abstrafe war unverdient.

Und so wirkte die Aufführung draußen

"Lohengrin“ auf der Leinwand ist nicht weniger intensiv als in der Staatsoper. Vorausgesetzt, der Regen spielt nicht die Hauptrolle. Am Sonntag blieb es mit kleineren Ausnahmen trocken, so dass sich mit einbrechender Dunkelheit jene unglaubliche Atmosphäre einstellte, die auch auf die zahlreichen Touristen so magisch wirkt: Ein Platz, gefüllt mit tausenden, schweigenden Menschen, die an den Lippen der Sänger hängen. Nach bravourös gemeisterten Wagner-Schwierigkeiten brandet gelegentlich Szenenapplaus auf.

Etw 16000 Zuschauer verfolgten nach Angaben der Staatsoper Wagners "Lohengrin" auf dem Max-Joseph-Platz.


Foto: Mike Schmalz
Der wahre Pluspunkt ist – neben dem erstaunlich guten Klang – die Bildregie, die das vor Trostlosigkeit strotzende Bühnenbild vergessen lässt. Mit fantastischen Schwenks und Zooms entsteht Opernkino, das in der Staatsoper nicht einmal auf den 243-Euro-Plätzen geboten wird. Man bekommt die Sänger auch ohne Opernglas hautnah mit, sieht jedes Detail. Auch die Träne, die dem romantisch verzückten Jonas Kaufmann bei Lohengrins Abschied über die Wange kullert. Da kann Hollywood einpacken.

Schade nur, dass Intendant Nikolaus Bachler kein Mann für pathetische Momente ist. Als er mit den drei Siegern des Abends, Harteros, Kaufmann und Kent Nagano vor die Oper und das elektrisierte Publikum tritt, greift er zum Mikro und wünscht nur eine gute Nacht, statt seine Helden vorzustellen. Während in der Oper das Regieteam mit einem Proteststurm von der Bühne gejagt wird, brauste auf dem Max-Joseph-Platz nur einmal Gebuhe auf: als die Kamera beim Schwenk über die Premieren-Promis Edmund Stoiber erfasst.
 






 
 
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