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Kölner Stadt-Anzeiger, 12. Oktober 2009 |
Gerhard Bauer |
Konzert, Düsseldorf, Tonhalle, 11. Oktober 2009
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Der Tenor, der aus der Retorte kam
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Deutschland sucht den Superstar, auch in der
klassischen Musik. Aber vielleicht hat es ihn schon: Jonas Kaufmann aus
München, Jahrgang 1969, Tenor und Frauenschwarm. Jetzt gastierte der Sänger
in Düsseldorf. |
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Wo Kaufmann hinkommt, raunen und röhren die Massen. Wie jetzt in der
Düsseldorfer Tonhalle, wo er im Zuge einer Promotion-Tour seiner jüngsten CD
(zehn Szenen aus deutschen Opern unter dem Titel "Sehnsucht", mit dem Mahler
Chamber Orchestra unter Claudio Abbado, Label Decca) auftrat.
Doch schnell weg vom Publicityrummel, denn Jonas Kaufmann hat eine herrliche
Stimme, kann bestens singen und darf ohne Abstriche auch als denkender,
gestaltender und gewissenhafter Künstler gewürdigt werden. Er ist ein von
Natur lyrischer Tenor, der allmählich ins Heldische wächst und seinem hellen
Timbre zunehmend dunkle Tönungen abgewinnt. Und dieses Zwischenfach, dieses
Zwischenstadium einer Entwicklung bestimmten auch die Werke des Düsseldorfer
Konzerts.
Was Jonas Kaufmann diesmal nicht konnte, vielleicht auch: nicht können
konnte, war dieses: Die Charaktere seiner Figuren auszugestalten, eine
szenische Wirkung oder ein spezifisches Klima herzustellen, eine
musikdramatische Gesamtidee zu entwickeln. Kaufmann entlud musikalisch
wertvolle Vortragsstücke, gesangstechnisch fast mustergültig, emotional aber
unbeteiligt. Dieser Eindruck mag der nüchternen Konzertsaalatmosphäre
geschuldet sein.
Doch ob Gefühle aus dem Herzen, oder aus der Retorte kommen, merkt man
meistens schon. *Kaufmann sang drei Arien, die mit einem Aufschrei beginnen.
"Gott, welch Dunkel hier!" aus Beethovens "Fidelio", "Nein, länger trag ich
nicht die Qualen!" aus Webers "Freischütz" und "Amfortas! Die Wunde!" aus
Wagners "Parsifal". Doch dieser Aufschrei ist nicht ein tenoraler Effekt,
sondern ein stimmungs- und sinnstiftender Affekt für schier namenlose
seelische Pein. Davon kündet auch die folgende Musik - nicht so sehr aber in
der Auslegung von Jonas Kaufmann. *Die drei anderen Auftritte betrafen die
"Bildnis"-Arie aus Mozarts "Zauberflöte", die "Winterstürme" aus Wagners
"Walküre" und die "Grals-Erzählung" aus Wagners "Lohengrin". Auch hier galt,
dass Kaufmann Gefühle eher vorführte, als erlebte.
Das war gewiss in vielem meisterhaft, doch wer das Artifizielle als
ausreichende Leistung einer Kunstausübung versteht, greift zu kurz. Für den
Tamino etwa hat Mozart das leise Erwachen und dann stürmische Wachsen einer
Liebe komponiert - und dieses staunende Crescendo muss doch emphatisch Klang
werden.
Begleitet wurde Kaufmann von der Staatskapelle Weimar unter Michael Güttler,
einem Ensemble mittlerer Qualität, das als Intermezzi einige lautstarke Vor-
und Zwischenspiele von Beethoven, Mozart, Schubert, Weber und Wagner
streute. Das Orchester auf der CD spielt da erheblich besser. |
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Der Verfasser des Artikels greift sich einen schwer nachprüfbaren
Kritikpunkt, vermutlich weil er nichts anderes gefunden hat, und tritt ihn
breit. Ob der Verfasser nun wirklich nicht in der Lage ist aus Jonas Gesang
die Gefühle herauszuhören bleibt dahingestellt. Manche brauchen eben alles
etwas theatralisch überzeichnet um Gefühle zu verstehen.
Wer Lust hat kann den Artikel kommentieren. Hier ein erstes Kommentar (nicht
von mir) auf der
Webseite des Stadtanzeigers: |
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persönliche Eindrücke
13.10.2009, 16.11 Uhr, Flosshilde
Natürlich ist es persönliche Geschmackssache und ich glaube Ihnen, dass Sie
nicht berührt wurden, aber ist das wirklich der Punkt, über den Sie so viele
Zeilen schreiben sollten, zumal ich davon ausgehe, dass Ihnen nicht
entgangen sein dürfte, dass die Mehrheit in der Düsseldorfer Tonhalle da
völlig anderer Meinung war?
Ich möchte deshalb, gewissermaßen als Richtigstellung anmerken, dass es
Menschen gibt, die in diesem Konzert die Bandbreite der menschlichen Gefühle
absolut direkt erlebt haben, über die anfängliche Unsicherheit, anschließend
umso größere Begeisterung - quasi Trunkenheit - des verliebten jungen
Tamino, bis hin zur inneren Zerissenheit zwischen Verlangen und geistiger
Scharfsichtigkeit über das Gewicht der Schuld und des gesamten menschlichen
Leidens beim Parsifal.
Ich kann nicht nur von mir selber sprechen, sondern auch von den Menschen um
mich herum, die emotional extrem berührt waren...
...Ich unterstelle nicht, dass es keine Kritikpunkte an diesem Konzert gibt,
aber eine etwas verkürztere Darstellung, dass Sie persönlich den Eindruck
hatten, die Gefühle würden bei Herrn Kaufmann nicht aus dem Herzen kommen,
wäre nach meiner Meinung völlig ausreichend gewesen.
Was mich aber im Endeffekt dazu veranlasst, hier zu schreiben, ist Ihre
Aussage „Was Jonas Kaufmann diesmal nicht konnte, vielleicht auch: nicht
können konnte...“
Wozu diese Unterstellung? Herr Kaufmann „kann“ sehr wohl – jedenfalls nach
der Meinung vieler Opern- und Konzertbesucher und auch zahlreicher Ihrer
schreibenden Kollegen im In- und Ausland.
Vielleicht saßen Sie auf einem unglücklichen Platz oder „können“ sich
persönlich nicht in die Ausdrucksweise dieses Künstlers hineinversetzen,
vielleicht haben Sie sich auch von der Fähigkeit des Künstlers, innerhalb
kürzester Zeit in die Gefühlswelt der Arien hinein- und wieder
hinauszugleiten, irritieren lassen? ....
....Ich hoffe, dass es nicht mit der etwas lächerlichen Konkurrenz zwischen
den Städten Köln und Düsseldorf zusammenhängt, dass Sie in Ihrer Rezension
über das Jonas Kaufmann Konzert gerade diesen einen schwer widerlegbaren
Kritikpunkt massiv angebracht haben.
Ich kann mich nämlich des leichten Eindrucks nicht erwehren, dass Köln etwas
neidisch ist, dass da ein Event an der Philharmonie vorbeigegangen ist?
Dass das Orchester auf der CD erheblich besser spielt, diese Anmerkung halte
ich für einen Witz, Sie wollen doch nicht ernsthaft das MCO unter Claudio
Abbado mit der Staatskappelle Weimar unter Michael Güttler vergleichen? |
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