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Badische Zeitung, 23. Oktober 2009 |
Alexander Dick |
Konzert, Baden-Baden, Festspielhaus, 22. Oktober 2009
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In des Tenors Frühlingstagen
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Jonas Kaufmann in Baden-Baden - Jonas
Kaufmann begeistert in Baden-Baden mit einer Operngala und hat Schuberts
Zyklus "Die schöne Müllerin" auf CD- eingespielt. |
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Dieses Mal darf man Richard Wagners Elsa richtig dankbar sein. Denn so
souverän wie dieser Lohengrin die Antwort auf das von ihr gebrochene
Frageverbot nach seinem Namen leistet, erlebt man das auf den Opernbühnen
der Gegenwart ganz selten. Lohengrin heißt Jonas Kaufmann, der ist derzeit
Deutschlands Vorzeigetenor Nummer eins und schickt sich an auch auf
internationaler Ebene in diesem begehrten Stimmfach nach den Sternen zu
greifen.
Bei der ausverkauften Operngala in Baden-Baden brandet ihm nach dieser
Gralserzählung ein Sturm der Begeisterung entgegen – zu Recht, denn das
winzige Unbehagen, das man noch bei der Interpretation auf seiner aktuellen
Opern-CD "Sehnsucht" spürte, konnte Kaufmanns Münchner "Lohengrin" im
vergangenen Sommer auslöschen: immer stärker heranreifendes heldisches
Potenzial bei gleichzeitig nach wie vor exquisiten dunklen, lyrischen Farben
geben dieser Stimme ihre so eigenwillige Konsistenz. Und das bei
respektabler Höhe: Dort wo andere angestrengt und eng wirken, kann Kaufmann
noch aus dem Vollen schöpfen. Und wenn er in die Kopfstimme wechselt, spürt
man den Registerbruch kaum – auch schon ob seiner hochklassigen
Gestaltungskunst.
Diese ist auch der große Pluspunkt von Kaufmanns gerade veröffentlichter
Interpretation von Schuberts "Schöner Müllerin" zusammen mit dem großen
Helmut Deutsch als Partner am Klavier. Das ist kein Wochenendausflug eines
Opernstars ins Lied, sondern eine bemerkenswert intensive Auseinandersetzung
mit einem der wichtigsten Liederzyklen der deutschen Romantik. Mitunter
verspürt man etwas zu – heldische – Schwerfälligkeit wie bei den Melismen
(Verzierungen) in der "Ungeduld". Doch die intensive Auseinandersetzung mit
dem Text, die saubere Diktion und Artikulation entschädigen dafür – auch
wenn das Optimum Fritz Wunderlich bei diesem Opus weiterhin unerreicht
bleibt.
Kaufmann – der lyrische: Noch nimmt man ihm den Tamino gerne ab und hat
berechtigte Hoffnung, dass dieser kluge Sänger sich seine Vielseitigkeit
lange bewahrt. In Baden-Baden zeigt er das auf der Basis des
"Sehnsuchts"-CD-Programms mit Verve: Sein Florestan klingt nicht immer
ideal, aber welcher andere Tenor wäre derzeit überhaupt in der Lage, "In des
Lebens Frühlingstagen" so überlegen durchzustehen? Ein großes Plus des
Abends ist übrigens auch die unter dem sehr chorisch, ohne Taktstock
dirigierenden Michael Güttler mehr als solide agierende Staatskapelle
Weimar, in deren exzellenten Bläsersätzen sich der fast schon verloren
geglaubte "deutsche" romantische Orchesterklang bewahrt hat und die trotz
quantitativer Unterrepräsentation der Violinen auch mit den beiden
"Lohengrin"-Vorspielen reüssiert.
Kaufmann – der vielseitige: Klar, dass der Tenor bei den Zugaben das
deutsche Fach verlässt. Sein Lamento aus Cileas "L’Arlesiana", sein Don José
("Carmen") und sein Cavaradossi ("Tosca") zeigen nicht nur seine Affinität
zum Verismo und der französischen Oper, sondern vor allem die flexible
Potenz dieser – darf man schon sagen? – Jahrhundert-Tenorstimme. Wohlgemerkt
– die immer noch nach Frühling klingt!
– Franz Schubert: Die schöne Müllerin. Jonas Kaufmann, Helmut Deutsch. Decca
478 1528. |
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