Wiener Zeitung, 1.7..2008
Von Oliver Schneider
Bizét: Carmen, Zürich, 28. Juni 2008
Ein Abschied, ein Debüt
Zwei künftige Spitzenmanager des Wiener Kulturbetriebs überzeugen mit Bizets "Carmen" im Opernhaus Zürich
Es sind festspielwürdige Namen: Franz Welser-Möst am Pult, Matthias Hartmann als Regisseur, Vesselina Kasarova als Carmen-Debütantin und Jonas Kaufmann als José – die Zürcher Festspiele bieten dieser Tage nicht irgendwen auf.

Und aus österreichischem Blickwinkel besonders reizvoll: Dass es sich bei den beiden Hauptverantwortlichen um designierte Spitzenmanager des Wiener Kulturlebens handelt, nimmt der in Zürich scheidende Generalmusikdirektor dieses Amt doch ab 2010 an der Wiener Staatsoper wahr, während Hartmann ab 2009 als Burgtheater-Direktor waltet.

In seiner Deutung von Bizets "Carmen" konzentriert sich letzterer vor allem auf die Protagonisten: Carmen ist eine harte und unerbittliche junge Frau, die sich bürgerlichen Vorstellungen von Liebe und Bindung widersetzt. Härte zu zeigen, ist für Kasarova ein Leichtes: Meist steht sie breitbeinig, manifestiert Durchsetzungswillen. Schwieriger wird es, wenn sie verführen soll: Da wirkt sie (noch) holzschnittartig, zum Beispiel wenn sie ungelenk um José tanzt. Von ganz anderem Kaliber ist ihre musikalische Darbietung. Dafür stehen ihr schier unbegrenzte Nuancierungsmöglichkeiten ihrer samtigen Stimme zur Verfügung.

Abgerundetes Bild

Don José ist zunächst als biederer und adretter Carabiniere gezeichnet, der unter einem Sonnenschirm mit Mini-Ventilator vor der Zigarrenfabrik seine Jause genießt. Eine Rolle, die Jonas Kaufmann nur bedingt liegt, was sich auch in seiner stimmlichen Verhaltenheit bis zur Pause zeigt. Sobald er seiner Eifersucht auf den Torero Escamillo jedoch freien Lauf lassen darf, dreht er mächtig auf und begeistert mit variabler Stimme, strahlender Höhe, Schmelz und Impulsivität.

Matthias Hartmann, unterstützt von Choreografin Teresa Rotemberg, zeichnet nicht nur Carmen und José mit Sorgfalt, sondern auch deren Gegenparts. Isabel Rey (vokal etwas schrill) gibt eine unscheinbare Micaëla, Michele Pertusi den Prototyp eines Escamillo: eitel, oberflächlich, durchschlagskräftig. Auch die (perfekt einstudierten) Chöre kommen nicht zu kurz: Hartmann verfällt beim Einzug der Toreros nicht in Naturalismus, sondern zeigt lediglich Menschen, wie sie dem Stierkämpfer ihrer Gunst zujubeln.

Volker Hintermeier beschränkt sich in seiner Szenerie auf das Nötige und vertraut auf die Wirkung bildhafter Symbole. Die kreisrunde Spielfläche steht für die Arena und wird jeweils mit passenden Versatzstücken angereichert.

Ein letztes Mal zeigt Welser-Möst, was er aus dem Zürcher Opernorchester gemacht hat. Mit Verve, federnder Rhythmik und auf Details bedacht führt er durch die Aufführung, die auf der kritischen Neuausgabe Michael Rots beruht. Statt der ursprünglichen Dialoge hat sich Welser-Möst für die nachkomponierten Rezitative entschieden, was ihm ermöglicht, ein geschlosseneres musikalisches Gesamtbild zu entwerfen. Das Zürcher Orchester zeigte sich am Premierenabend von seiner besten Seite. Welser-Mösts Weggang ist für Zürich ein herber Verlust.






 
 
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