|
|
|
|
|
Tagesanzeiger vom 16.06.2008 |
Susanne Kübler |
Verdi: Requiem, Tonhalle, Zürich, 15. Juni 2008
|
Daniele Gatti dirigiert Verdis «Requiem»
|
|
Zürich, Tonhalle. - Kurzfristig war das gestrige
Konzert ins Opernhaus-Programm geschoben worden, am Tag der
«Rinaldo»-Premiere und zeitgleich mit der Liedermatinee von Matthias Goerne.
Schon das zeigte an, dass es kein normales Konzert war, sondern sozusagen
ein Bewerbungsanlass - wobei sich alle Beteiligten als Bewerber zu
präsentieren hatten. Der 46-jährige Italiener Daniele Gatti, der im
vergangenen Jahr die musikalische Leitung des Teatro Comunale in Bologna
abgegeben hat, interessiert sich offenbar für einen neuen Opernposten. Und
das Zürcher Opernhaus, das ab Ende Saison ohne Generalmusikdirektor dasteht,
umwirbt kaum zufällig diesen Dirigenten auf dem Zenit seines Erfolgs.
Gatti gibt in diesem Sommer mit dem «Parsifal» seinen Einstand in Bayreuth,
er wird die nächste Saison an der (ebenfalls chefdirigentenlosen) Scala
eröffnen. Im kommenden Herbst übernimmt er zusätzlich zum Royal Philharmonic
Orchestra auch noch das Orchestra National de France. Und mit Verdis «Messa
da Requiem», die er nun in Zürich dirigiert hat, war er kürzlich mit den
Wiener Philharmonikern auf einer Tournee, die unter anderem in den Vatikan
geführt hat.
Wie nahe ihm dieses Werk liegt, wurde in der Tonhalle vom ersten Ton an
klar. Wirkungsvoll liess Gatti die Musik aus der Stille herauswachsen, um im
«Dies irae» dann für umso heftigere Explosionen zu sorgen. Die Extreme
prägten die ganze Aufführung: die zarten, klangvollen Pianissimi, die für
grössere Räume gedachten und doch nie nur lärmigen Fortissimi. Gatti ist ein
Zuspitzer, aber kein Einpeitscher; er braucht nicht rabiat zu werden, um
markante Zäsuren und Schlüsse zu bewirken, und die Steigerungen leitet er
oft mit auffallend weicher Geste ein - wobei er durchaus darauf achtet, dass
auch Gegenstimmen wie die aufsteigenden Bläserläufe im «Dies irae» hörbar
bleiben.
Das Orchester der Oper spielte überaus engagiert, der von Ernst
Raffelsberger vorbereitete Chor demonstrierte seine Möglichkeiten vom
Flüstern bis zum Aufschrei. Und die Solisten - die strahlkräftige Fiorenza
Cedolin, die weniger klangstark, aber sprechend gestaltende Agnes Baltsa,
der nuancenbewusste Jonas Kaufmann und der abgeklärte Roberto Scandiuzzi -
sangen ihre Qualitäten in teilweise betörenden Soli aus (als Ensemble
harmonierten sie dagegen nicht immer).
Das Publikum reagierte mit einer Standing Ovation. Ohne sich in vorschnelle
Urteile zu versteigen, lässt sich vielleicht so viel sagen: Gatti ist ein
höchst versierter Dirigent, ein geschickter Kommunikator auch (wann war es
das letzte Mal so still in der Tonhalle wie vor dem ersten Einsatz?). Das
Kernrepertoire ist ihm mit wenigen Ausnahmen wichtiger als die rareren Werke
oder gar die Experimente, und sein Glamourfaktor ist relativ hoch. Wenn er
neben allem anderen tatsächlich Zeit hat für die Zürcher Oper, würde er
vermutlich ziemlich perfekt zur derzeitigen Ausrichtung des Hauses passen. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|