Deutschlandradio
Von Christoph Schmitz
Die Zauberflöte, Zürich, 17. Februar 2007 (Premiere)
Großer Opernabend in Zürich
Nikolaus Harnoncourt und Martin Kusej deuten Mozarts "Zauberflöte"
Entschieden loben die Leute des weisen Herrschers Sarastros Tugend und Gerechtigkeit. Tugend und Gerechtigkeit machen die Erde zum "Himmelreich", wie es heißt, und die "Sterblichen den Göttern gleich". Entschieden ist auch der Zugriff, mit dem das Züricher Opernorchester unter dem Dirigenten Nikolaus Harnoncourt die Musik gestaltet. Heftig und prägnant ist der Gestus, der Mozarts höchst reduzierte und doch vielschichtige Rhetorik auf den Punkt bringt. Die Brüche und rasch wechselnden Stimmungen versucht Harnoncourt erst gar nicht zu überspielen. Er spielt sie vielmehr mit kontrollierter Lust aus und rückt Rhythmus und Klang mitunter an den Rand des Wahnsinns, was wiederum ganz dem entspricht, was man auf der Bühne sieht, was also der Regisseur Martin Kusej und der Bühnenbildner Rolf Glittenberg aus Mozarts "Zauberflöte" herausgelesen haben.

Ihre Geschichte ist ein Alptraum. Oder eine radikale Reflexion. Ein Nachdenken über die Liebe, ein Nachdenken, das den Motiven, Verhaltensweisen und Gefühlszuständen Liebender auf den Grund geht, auch wenn der aufklärerische Akt noch so schmerzvoll ist, dass er albtraumartige Züge bekommt. Tamino und Pamina sind nämlich nicht erst am Ende der Oper ein Paar, sondern von Anfang an. Mit dem Beginn der Ouvertüre stehen sie sogar als Brautpaar auf der Bühne, gedankenverloren, als würde ihnen in dem Augenblick, in dem sie sich fürs Leben aneinander binden, klar, auf welch wagemutiges Projekt sie sich gerade einlassen, wenn sie sich in ihrer Liebe zur Tugend verpflichten. In Gedanken reißt es sie förmlich weg in die Untiefen ihrer Psyche. Die Bühne wird ihr Seelenraum, die Handlung ihr Denken und Fantasieren. Eine ausgezeichnete Idee des Regisseurs.

So zeigt der Hass von Paminas Mutter auf Sarastro, zu welch destruktiven Emotionen sich enttäuschte Liebe umkehren kann. Elena Mosuc singt als Königin der Nacht mit ihrer Rachearie den stechenden Schmerz einer zutiefst verletzten Frau, die ihre Tochter quält und zum Mord an Sarastro anstiften möchte. Aus der virtuosen Koloratur macht die Sängerin einen Aufschrei des Leidens. Aber vielleicht ist diese Königin der Nacht sogar Pamina selbst. Pamina, die erkennt, wozu sie fähig sein könnte. Sie und Tamino erfahren aber auch die Angst, getrennt zu werden und sich zu verlieren und die Mühen, sich wieder zu finden - wie das in einer Ehe so ist.

Vielleicht ist auch Taminos Begleiter, der Vogelfänger Papageno, kein fremder Tölpel, sondern ein Teil von ihm, von Tamino selbst. Nämlich der schlicht Triebhafte, dem es im Leben vor allem auf ein gutes Essen, ein gutes Glas Wein und ansonsten, neben einem Weibchen zum Vernaschen, auf viel Gemütlichkeit ankommt. Ruben Drole als Papageno und Eva Liebau als Papagena spielen und singen die schlichten Naturkinder mit viel Gesangs- und Schauspielkunst.

Doch bevor sich Papageno und Papagena endlich gefunden haben, hat ihr Weg sie durch ein steriles Labyrinth aus schwindelig hohen Mauern geführt. Nackte kahle Wände wie in den unterirdischen Verliesen eines Industriekomplexes. Fensterlose Räume, die untereinander von einem undurchsichtigen System mal verriegelter, mal offener Eisentüren verbunden sind. Das ganze dreht sich permanent um die eigene Achse und macht alptraumartige Szenerien mit Schlangengewimmel, blutbespritzten OP-Ansichten und herumschleichenden schwarzen Hackebeil-Schwingern sichtbar. Vielleicht ist der geile schwarze Lustmörder Monostatos auch nur eine düstre Ecke in Taminos und Paminas Liebesprojekt. Jonas Kaufmann und Julia Kleiter singen ihren Part mit großer Schönheit und Klarheit. Auch Matti Salminen als Sarastro. Ein großer Opernabend in Zürich! Die Liebe hat in den heiligen Hallen nach der Reflexion eine reale Chance.






 
 
  www.jkaufmann.info back top