Berner Zeitung, 19.02.2007
Frank Gerber
Mozart: Die Zauberflöte, Zürich, 17. Februar 2007
Mozart und Mercedes
Gutes Theater polarisiert immer – die Zürcher «Zauberflöte» ist grandioses Theater. Die Hälfte des Premierenpublikums brüllte Bravo, die andere Hälfte buhte. Nur die musikalische Leistung war unangefochten.

Das Timing könnt nicht besser sein: Am Samstagmorgen pfeifts der Boulevard von den Dächern, dass der Chef vom Opernhaus Zürich, Alexander Pereira (59), seine neue Freundin (20) während einer Vorstellung in der Loge geküsst hat. Und am Samstagabend hat in ebendiesem Theater eine Oper Premiere, von der Regisseur und Dirigent übereinstimmend sagen, es gehe um Liebe, Liebe, Liebe.

Schlangengrube

Doch dies ist glücklicherweise nur ein Aspekt von Mozarts «Zauberflöte». Besonders, wenn sie von Nikolaus Harnoncourt dirigiert und von Martin Kusej inszeniert wird, kann man davon ausgehen, dass der Abend nicht eindimensional wird. Und dieses Mal ist dem bewährten Mozart-Team gar ein Glanzstück an Vielschichtigkeit gelungen.

Die Tochter der (bösen?) Königin der Nacht ist vom (guten?) Sarastro und seiner männerbündelnden Sekte entführt worden. Jetzt soll sie vom Prinzen Tamino und dem tollpatschigen Vogelfänger Papageno befreit werden. Doch bis das gelingt, müssen sie verschiedene Prüfungen bestehen, ähnlich wie bei einer Pfaditaufe.

Tiefgarage

Mozarts Singspiel kombiniert Oper mit Volkstheater und Märchen. Zum Glück nimmt Kusej das Stück ernst und stellt nicht den Märchenaspekt in den Vordergrund. Er löst sich von der infantilen Gutmenschendeutung, die seit Jahrzehnten Usus ist. In Zürich spielt die «Zauberflöte» in einem labyrinthartigen Untergeschoss: weiss gekachelt, viele Metalltüren, keine Fenster. Ob es sich um den Keller einer Leichenhalle oder eines Einkaufszentrums handelt, bleibt offen.

Kühlschrank

Der Bühnentext ist nicht sakrosankt. Die unsägliche Frauenfeindlichkeit etwa wird konterkariert, indem Papageno seine Arie «Ein Mädchen oder Weibchen» im Vollsuff nur noch lallt. Die Königin der Nacht wohnt rollengemäss da, wos kalt und dunkel ist:im Kühlschrank. Und die Liebesprüfung, bei der Tamino und Pamina durchs Wasser gehen müssen, wird auf einem Video eingespielt: Sie versinken in einem Mercedes im See.

Video

Die Sängerinnen und Sänger sind alle top. Julia Kleiter als Pamina, Elena Mosuc als Königin, Ruben Drole als Papageno, Matti Salminen als Sarastro. Und was das Opernhaus Zürich definitiv von einem Provinztheater unterscheidet, ist die Art und Weise, wie es mit Umbesetzungen umgeht: Wenn der weltbeste Tamino-Darsteller Christoph Strehl am Tag vor der Premiere wegen Krankheit ausfällt, so springt eben der weltbeste Tamino-Darsteller Jonas Kaufmann ein. Und der jung verliebte Direktor macht eine Ansage vor dem Vorhang.






 
 
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