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Zürcher Oberländer, 26. 4.
2005 |
Sibylle Ehrismann |
Mozart: La clemenza di Tito, Zürich, April 2005
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Zwischen Opera seria und Singspiel
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Premiere von «La Clemenza di
Tito» unter Leitung von Franz Welser-Möst am Opernhaus Zürich
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Franz Welser-Möst wagt im Opernhaus Zürich eine
eigenwillig moderne Version von Mozarts später Opera seria «La Clemenza di
Tito». Zum einen spielt er in der kleinen Orchesterbesetzung auf modernen
Instrumenten, zum andern wurden die gerne etwas langfädig wirkenden
Secco-Rezitative durch Sprech-dialoge ersetzt.
Ein interessantes Experiment in sängerischer Starbesetzung, in welcher vor
allem Vesselina Kasarova als Sesto brillierte.
Erinnerung an «Zauberflöte»
Eigentlich ist es ja unmöglich. Es gibt keine einzige italienische Oper, in
welcher gesprochen wird. Die Sprechdialoge stammen vom deutschen Singspiel,
und ab und zu fühlt man sich in dieser Produktion auch an die «Zauberflöte»
erinnert. Dementsprechend irritiert und stört das Sprechen auch, doch
weshalb soll man das in dieser alttradierten und von Mozart bereits
überholten Seria-Gattung nicht mal versuchen?
Kommt dazu, dass die Secco-Rezitative ja nicht von Mozart sind. So
eigentümlich dieses Experiment von der Gattung her auch sein mag, die von
den Protagonisten schauspielerisch sehr gut gesprochenen italienischen
Dialoge verliehen dem Stück eine erfrischend vitale Note.
Diese Vitalität vermochte aber Regisseur Jonathan Miller ganz und gar nicht
szenisch umzusetzen. Sein nobles Bühnenbild mit einem drehbaren Turmbau in
der Mitte ist grau in grau, die hohe Fensterchen-Wand im linken Hintergrund
ist erleuchtet, und dort kommt auch die Video-Produktion des brennenden
Kapitols unterkühlt ästhetisch zum Tragen. Die Figuren, die ja auch
schauspielernd sprechen müssen, wirken oft wie bestellt und nicht abgeholt,
stehen allein gelassen da und wissen nicht, wohin mit sich.
Nähe und Distanz fehlen
Das Beziehungsgeflecht unter den Figuren wird kaum sichtbar, Nähe und
Distanz kommen gar nicht vor, Berührung ist tabu. Auch der hervorragend
singende Chor (Einstudierung Ernst Raffelsberger) erscheint immer links und
rechts vom Turm, und jeder steht immer genau an demselben Ort. Nichts gegen
ruhigere, konventionellere Regien, aber derart uninspiriert und langweilig
sollte das nicht sein. Zum Glück sind die Kostüme von Isabella Bywater sehr
schön und vielsagend gewählt. Sie hat die Linie der 1930er Jahre gewählt:
Zwei wunderschöne elegante Kleider für Vitellia, welche den Verrat an Titus
anzettelt, um selber Kaiserin zu werden.
Zu spät erkennt sie, dass Titus sie ja heiraten und zur Kaiserin machen
will. Eva Mei singt dieses Rollendebüt mit starker Bühnenpräsenz und
stimmlicher Grösse. Ihr Ringen zwischen Hass und Liebe, und vor allem ihre
hinreissend gesungene «Reue-Arie» gehören zu den packendsten Momenten des
Abends.
Hinreissende Kasarova
Daneben, in legerem schwarzem Anzug, der ihr hörige Sesto. Vesselina
Kasarova singt diese das Geschehen dominierende Partie mit hinreissender
Pianissimo-Virtuosität, mit echter Hingabe an jeden Ton. Der Verrat und
versuchte Mord an seinem Freund, dem Kaiser, vollbringt er aus höriger Liebe
zu Vitellia. Dieses bittende Schmeicheln in der Stimme, dieses verzweifelte
Lieben nimmt man Kasarova in jedem Moment ab. Dann die ergreifende Arie, in
welcher sich Sesto zum Verrat durchringt: Ein grossartiger Zwiespalt der
Gefühle, musikalisch grandios begleitet von der Klarinettistin aus dem
Orchestergraben.
Innige Gefühle
In der zweiten Hosenrolle besticht auch Liliana Nikiteanu in ihrem Debüt als
Annio, als enger Freund von Sesto. Temperament- und liebevoll zugleich
gestaltet sie diese Innigkeit der Gefühle mit agiler Leichtigkeit und
stimmlicher Intensität. Dazu passt die helle, reine Stimme von Malin
Hartelius ausgezeichnet, welche die Servilia mit wenigen, aber hinreissenden
Auftritten porträtiert. Am meisten Mühe mit dem Wechsel vom Gesprochenen
zum Gesungenen hatte Jonas Kaufmann als Titus, der die Milde verkörpert.
Seine Stimme sprach nur schwer an, entfaltete dann aber grossen Atem,
eindrückliche Zwischentöne und heftige Gefühle.
Dass Titus und sein Begleiter Publio (überzeugend von Günther Groissböck) in
hellen Anzügen und schliesslich in italienischer Faschisten-Montur samt
Militärorden auftreten, wirkt ziemlich daneben. Titus, der Inbegriff der
Milde, der allen verzeiht, den findet man sicher nicht unter den
erfolgreichen Kriegsherren und Faschisten. Diese Anspielung der Regie ging
nicht mal im Lächerlichen auf. Und auch der Chor wirkte derart «gestellt»
und steif, dass seine Wirkung über das rein Musikalische nicht hinausging.
Dirigent mit Sinn für Details
Musikalisch jedoch kam man an diesem Abend voll auf seine Rechnung. Franz
Welser-Möst dirigierte mit viel Sinn für die Details, für den schlichten
Fluss und die Natürlichkeit von Mozarts Musik. Die Proportionen wirkten
ausgewogen, der Ausdruck innig und echt, nur die Orchestertuttis hatten
etwas gar Heftiges und Lautes, vor allem auch mit den modernen Instrumenten.
Neben der hochkarätigen Klarinettistin vermochten die überhaupt sehr gut
disponierten Bläser agil und weich mitzugestalten, und die Streicher
verliehen dem Geschehen vor allem in der Zurückhaltung eine magisch homogene
Klangaura.
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Video Capture |
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