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Zürichsee-Zeitung, 26. 4. 2005 |
Christian Berzins |
Mozart: La clemenza di Tito, Zürich, April 2005
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Das System «Alexander Pereira»
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Opernhaus Zürich W. A. Mozarts
Opera seria «La Clemenza di Tito» misslingt |
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Viel wurde die Arbeit des Intendanten Alexander
Pereira in den vergangenen Tagen von grossen und wichtigen Menschen gelobt.
Am Sonntag gabs den jüngsten Augenschein vom künstlerischen Teil des
«Systems Pereira» - ein trauriger Flop.
Opernhaus Zürich, 7. Oktober 1989 (damals wurde, man stelle sich das mal
vor!, diese Bühne bereits bespielt, obwohl Alexander Pereira noch in Wien
lebte). Der umstrittene Regisseur John Dew vollendet mit Mozarts 1791
uraufgeführter Oper «La Clemenza di Tito» einen von Jean- Pierre Ponelle
begonnenen und weltweit beachteten Mozart-Zyklus. Protest und Jubel sind die
Folge. Der damals fast ebenso umstrittene Dirigent Nikolaus Harnoncourt -
bei den Salzburger Festspielen war er immer noch Persona non grata - zeigt,
wie man mit dem Orchester revoltiert. Mozartglück.
Internationale Spitzensänger stehen auf der Bühne, sie werden durch junge,
unbekannte hauseigene Kräfte ergänzt. Der damalige Intendant Christoph
Groszer gibt einer Vesselina Kasarova die Chance, den Annio zu singen. Die
junge Bulgarin nutzt sie und wird bald zur weltweit gefeierten
Mezzo-Primadonna.
Einschläferndes Spiel
Opernhaus Zürich, 24. April 2005. Regie-Altmeister Jonathan Miller versucht
mit kleinen Gesten, die grossen Gefühle der «Tito»-Protagonisten
auszudrücken und schläfert das Spiel um kaiserliche Macht und Liebe ein.
Obwohl die für manche Ohren offenbar etwas schwerfälligen Secco-Rezitative
durch reine Sprechtexte von Iso Ca-martin ersetzt werden, geraten die
Personen nicht lebendiger. Das kühle Bühnenbild (Isabella Bywater) regt die
Fantasie wenig an. Die Kostüme versetzen in die 30er-Jahre des 20.
Jahrhunderts.
Der (fast) überall geschätzte dirigierende Grossmeister Franz Welser-Möst
versucht das Orchester revolutionär klingen zu lassen: Es bleibt bei der
wilden Geste, artikuliert reden wird sein Orchester auch bei noch so kräftig
geschlagenen Pauken nicht: Unge- nauigkeiten fallen umso mehr auf; singulär
aufspielende Holzbläser reichen immerhin zu etwas Trost.
Die Sänger tragen fast alle grosse Namen: Die zwei weiblichen Nebenrollen
sind mit langjährigen, hauseigenen Kräften besetzt; Hartelius (Servilia) und
Liliana Nikiteanu (Annio) lösen ihre Aufgabe korrekt. Sänger, die sich an
grössten Häusern bewährt haben, singen die drei Hauptrollen. Eva Mei gibt
die Vitellia: Ihre Stimme ist seltsam körperlos, zu Beginn ungenau, wenig
wendig und ohne dramatische Geste. Korrekt? Muss man heute tatsächlich auch
Vitellia mit einer «weissen Stimme» besetzen? Genügt es nicht, wenn Servilia
langweilt? Jonas Kaufmann ist ein junger Titus mit schönem Timbre, und
doch sind seine Piani bereits ohne Klang und die Kraftausschöpfung ist nicht
immer koordiniert.
Kasarovas vollkommener Gesang
So rettet denn Sympathieträger Sesto den Abend. Eine gewisse Vesselina
Kasarova singt die Hosenrolle. Ihre Kunst ist 16 Jahre nach ihrem Zürcher
Annio so ausgereift, dass jede Silbe ihrer Gesangslinien vollkommen
ausgestaltet ist und sich gleichzeitig in eine grosse Phrase einfügt. Wie
Kasarova auf einzelnen Vokalen farbliche Nuancen zaubert, wie sie einzelne
Töne ausgestaltet - sei es, dass sie mit minimalem Kraftaufwand dynamische
Veränderungen hervorzaubert, sei es, dass sie mit geschicktem Atem die Worte
lenkt - ist hinreissend. Und in jeder gesungenen Note steckt eine ungeheure
Emotion. Fast ebenso viel Freude machte der junge, bereits vielgefragte Bass
Günther Groissböck (Publio) in seiner Zwei-Minuten-Arie: Wer führt eine
Bassstimme so locker wie elegant und erzeugt so viel bebende Wärme?
Buhs für den Regisseur
Naturgemäss gab es zum Schluss Applaus für die Sänger, etwas davon auch für
den Dirigenten. Dann aber folgten heftige Buhs (mit wenigen Bravos
aufgehellt) für Regisseur Jonathan Miller. Wir geben die Buhs an die
aktuelle Opernhausdirektion weiter. |
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Video Capture |
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